Das zarte Pflänzchen des Dialogs

Erstes Treffen zwischen Regierung und Opposition in Venezuela zeigte Wunsch nach friedlicher Koexistenz

  • Tobias Lambert
  • Lesedauer: 3 Min.
In Venezuela begann der erste öffentliche Dialog zwischen Regierung und Opposition seit dem Wahlsieg von Hugo Chávez 1998. Bei dem Treffen wurden zunächst die grundlegenden Ansichten ausgetauscht.

Erst um zwei Uhr nachts erklärte Präsident Nicolás Maduro das Treffen für beendet. »Wir erkennen an, dass wir politische Strömungen mit sehr unterschiedlichen Ideologien und Projekten repräsentieren«, resümierte der venezolanische Präsident. »Aber wir sind dazu verpflichtet, den Weg zur Koexistenz einzuschlagen.« Fast sechs Stunden lang hatten sich am Donnerstagabend Regierung und Teile der Opposition im Präsidentenpalast Miraflores getroffen, um einen für Venezuela historischen Dialog zu beginnen. Sämtliche Fernseh- und Radiosender übertrugen das Treffen live.

Für das oppositionelle Wahlbündnis »Tisch der demokratischen Einheit« (MUD) nahmen elf Repräsentanten teil, darunter auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Gouverneur des nördlichen Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles Radonski. Die Regierung schickte acht Personen. Als unabhängige Vermittler fungierten die Außenminister Brasiliens, Ecuadors und Kolumbiens sowie ein Vertreter des Vatikans. Zustande gekommen war der Dialog unter Vermittlung des südamerikanischen Staatenbundes UNASUR.

Jeder Teilnehmer bekam etwa zehn Minuten Redezeit, Präsident Maduro mit Einstiegs- und Schlussstatements jedoch deutlich mehr. Die Oppositionspolitiker wandten sich in ihren Beiträgen unter anderem gegen Gewalt, forderten eine Amnestie für »politische Gefangene«, die Entwaffnung regierungsnaher Gruppen und eine Umkehr in der Wirtschaftspolitik. Die Regierungsvertreter erkannten an, dass es reale Probleme im Land gibt, machten jedoch ihre politischen Gegner für die gewaltsame Eskalation der Lage verantwortlich. Oppositionsführer Capriles wandte sich direkt an den Präsidenten: »Nicolás, wie kannst du Respekt einfordern, wenn du selbst die Hälfte des Landes nicht respektierst?« Mit seiner knappen Niederlage bei der Präsidentschaftswahl im April 2013 habe sich Venezuela verändert, so Capriles weiter.

Der Dialog offenbarte nicht nur einmal mehr die tiefen ideologischen Gräben zwischen Regierung und Opposition, sondern auch die Spaltung innerhalb des MUD. Dessen rechter Flügel unter dem inhaftierten Leopoldo López und der ehemaligen Parlamentsabgeordneten Corina Machado blieb dem Treffen mit der Begründung fern, nicht »mit der Diktatur« verhandeln zu wollen. Die radikalen Regierungsgegner fordern nach wie vor den sofortigen Rücktritt Maduros. Auch die rechte Studierendenbewegung nahm nicht an dem Treffen teil, sondern mobilisierte auf der Straße.

In den vergangenen zwei Monaten hatte Präsident Maduro immer wieder zum Dialog aufgerufen, um die gewaltsamen Proteste zu beenden, bei denen seit Anfang Februar mindestens 41 Menschen beider politischer Lager ums Leben kamen. An von der Regierung initiierten Friedenskonferenzen beteiligten sich seit Ende Februar zwar zahlreiche regierungskritische Organisationen und Unternehmen. Das Oppositionsbündnis MUD bezeichnete die landesweiten Treffen jedoch als »Show« und untersagte Politikern aus ihren Reihen die Teilnahme.

Die Regierung bemühte sich vorab, den Dialog mit der Opposition scharf von der paktierten Demokratie vor 1999 abzugrenzen, als die beiden großen Parteien AD und COPEI stets Posten und Macht miteinander ausgehandelt hatten. »Es gibt hier nichts zu verhandeln«, stellte Maduro klar. »Was es gibt, ist eine Debatte, aber jeder auf seinem Platz, um ein Modell des Zusammenlebens und der Toleranz aufzubauen.« Ein vorsichtiger Anfang ist gemacht. Am kommenden Dienstag soll es weitergehen.

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