Montagsdemos unter unklaren Vorzeichen
Linke Gruppen distanzieren sich von «rechtsesoterischer Lyrik» und rufen zur Teilnahme an Ostermärschen auf
«Ich war das erste Mal im Leben auf einer Demonstration», erklärt der 20-jährige Stefan. Er wohnt erst seit Kurzem in Berlin und wurde von Freunden auf die Kundgebungen aufmerksam gemacht, die seit dem 7. März jeden Montag um 18 Uhr vor dem Brandenburger Tor stattfinden. Beim ersten Termin waren es knapp 100 Menschen, die vor allem über das Internet mobilisiert wurden.
Für den Weltfrieden, eine ehrliche Presse und gegen die US-Notenbank FED wollte man auf die Straße gehen. Die Bewegung hat sich mittlerweile ausgeweitet. Am 14. April fanden in 24 Städten Mahnwachen oder Kundgebungen statt, an denen insgesamt mehrere tausend Menschen teilgenommen haben.
Obwohl die meisten Kundgebungen in westdeutschen Städten stattfinden, sprechen die Organisatoren von Montagsdemonstrationen. Sie wollen damit an die Großdemonstrationen am Ende der DDR anknüpfen. Es gab in den letzten 25 Jahren bereits mehrere Bewegungen, die sich in die Tradition der Montagsdemonstrationen stellten. Am bekanntesten wurden die Proteste gegen die Agenda 2010, die im Sommer 2004 von Magdeburg aus auf viele weitere ostdeutsche Städte übergriffen. Damals waren unter den Teilnehmern viele, die noch die Montagsdemonstrationen der DDR aus eigenem Erleben kannten. Das ist nun, zehn Jahre später, anders. In Berlin beteiligen sich viele junge Menschen, die 1989 noch gar nicht geboren waren.
Stefan und seine Freunde gehören dazu. Besonders interessiert hat er den Ausführungen von Andreas Popp gelauscht, der auf der Kundgebung einen längeren Vortrag hielt. «Man muss nicht allem zustimmen, aber ich finde seine Theorien sehr plausibel», erklärt Stefan, und seine Freunde nicken.
Im Internet bekennt sich Popp dazu, Verschwörungstheoretiker zu sein. Er will den Begriff von seinem negativen Beiklang befreien. Auch die Anschläge vom 11. 9. 2001 in den USA bezeichnet er als ungeklärt. Diese Ansicht teilt er mit anderen Rednern, die immer besonders viel Applaus bekamen, wenn sie ihre Zweifel zum 11. September äußerten.
In Magdeburg warnte die Linke Jugend- und Hochschulgruppe vor der Teilnahme an der Montagsdemonstration. Frieden, Pressefreiheit - auf den ersten Blick höre sich das nach linken Themen, also einer guten Sache an, die man bedenkenlos unterstützen könnte. Nach einer Recherche sei man allerdings auf eine «Mischung von verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik und Truther-Propaganda» in den Texten der Montagsdemonstranten gestoßen. Als Truther bezeichnet sich eine weltweite Bewegung, die für die Anschläge vom 11. September den USA die Schuld gibt.
Auch die Kooperation für den Frieden, ein Zusammenschluss von über 60 Initiativen der Friedensbewegung, hat sich in einer Erklärung kritisch mit der neuen Montagsdemonstrationsbewegung und ihrem Mobilisierungstext befasst. «Es gibt in diesem Aufruf, der bundesweit gleichlautend ist, nur eine einzige konkrete Position: »Gegen die tödliche Politik der Federal Reserve. Was dieses Bankensystem mit internationalen Konflikten oder gar Krieg zu tun haben soll, wird nicht im entferntesten benannt.« Die Friedenskooperative erinnert daran, dass die FED oft als Synonym für das »jüdische Finanzkapitel« herhalten muss. »Wer auch immer sich durch die ›Friedensbewegung 2014‹ angesprochen fühlt, sollte genau hinsehen, für welche Ziele diese Bewegung eintritt, und für welche Ziele Demonstrantinnen und Demonstranten gesucht werden«, heißt es am Ende im Aufruf der Friedensinitiativen.
In einer Stellungnahme betonen Aktivisten der Montagsdemonstrationen, weder links noch rechts zu sein, und distanzieren sich von »jedem Extremismus«. Auch für den ehemaligen Radiomoderator Ken Jebsen, der bei mehreren Montagsdemonstrationen als Redner auftritt, steht fest: »Die Redner mögen teilweise naiv sein, aber nicht völkisch und national«.
Jebsen ist als Autor des rechtskonservativen Compact-Magazins in die Kritik geraten. Am kommenden Montag erwarten die Organisatoren der Demonstrationen weiteren Zulauf. In mehreren Städten werben Antimilitaristen allerdings für die Teilnahme an den traditionellen Ostermärschen, die sich von Militarismus, Rassismus und jeder rechten Ideologie abgrenzen.
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