Kalte Progression: Wagenknecht nennt Debatte »schäbig«
Linkenpolitikerin: Von Schröder bis Merkel haben alle Regierung »ihre Hand schamlos in die Taschen der Arbeitnehmer gesteckt« / SPD-Chef Gabriel bekommt Gegenwind in der eigenen Partei - kein Abbau ohne Gegenfinanzierung
Berlin. Während in der SPD der Vorsitzende Sigmar Gabriel Gegenwind für seinen Vorstoß erhält, die »kalte Progression« auch ohne Gegenfinanzierung durch höhere Steuern für Spitzenverdiener abzubauen, hat die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, »die x-te Scheindebatte zur kalten Progression« kritisiert. »Von Merkel bis Schröder haben die letzten Bundesregierungen mit der kalten Progression ihre Hand schamlos in die Taschen der Arbeitnehmer gesteckt«, sagte Wagenknecht. Es sei daher »schäbig, dass die CDU von Bundesfinanzminister Schäuble bis Kauder anlässlich der bevorstehenden Europawahlen die x-te Scheindebatte zur kalten Progression aufführt«. Ihre Partei wolle die Wiedereinführung der Vermögenssteuer als Millionärssteuer, eine Anhebung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent und die Abschaffung der Abgeltungssteuer bei Kapitalerträgen. Die Abschaffung der Kalten Progression sei dann auch finanzierbar.
Derweil geht bei den Sozialdemokraten der Streit darüber weiter, ob der Abbau der schleichenden Steuererhöhungen auch ohne Kompensation möglich sei. SPD-Chef Gabriel hatte erklärt, »das muss aufgrund der hohen Steuereinnahmen in dieser Legislaturperiode auch ohne Steuererhöhungen und auch ohne soziale Kürzungen möglich sein«. Dagegen sagte SPD-Vize Ralf Stegner, er sei »skeptisch, wie das zustande kommen kann«. Gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« sagte er, »wenn Schiffe voller Gold die Spree entlang fahren, können wir über alles reden. Aber mir fehlt gegenwärtig die Fantasie, wie ein Abbau der kalten Progression auf einem Weg zustande kommen kann, den die SPD akzeptieren kann«.
Im Kurznachrichtendienst Twitter hatte Stegner zuvor erklärt, es seien »ohne Einnahmeverbesserungen keine Veränderungen« bei der »kalten Progression« möglich. Er erinnerte daran, dass sie SPD die Vermögenssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz unter anderem für eine bessere Bildung gefordert hatten. »Von dem Vorschlag, man könnte das aus den laufenden Einnahmen bezahlen, halte ich ganz und gar nichts«, sagte auch der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Carsten Sieling. Die hohen Steuereinnahmen seien positive konjunkturelle Effekte. »Wenn die entfallen, ist auch das Geld weg«, so Sieling. »Stattdessen brauchen wir eine vernünftige Finanzierungsbasis.« Nötig seien Steuererhöhungen oder der Abbau von Subventionen, die hohe Einkommen und Vermögen bevorteilen.
In der Großen Koalition ist unter anderem umstritten, ob eine Gegenfinanzierung auch durch Kürzungen an anderer Stelle möglich wäre. Der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Michael Fuchs, nannte in der »Passauer Neuen Presse« etwa die Eingliederungsprogramme für Arbeitslose und die mehrere hundert Millionen Euro umfassenden Beihilfen für die Autoindustrie zur Entwicklung von Elektroautos. SPD-Mann Stegner wies dies auf Twitter zurück, ein Abbau der »kalten Progression« mit Kürzungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose zu finanzieren sei »mit uns nicht« zu machen.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, forderte den Bundesfinanzminister auf, »ein solides Finanzierungskonzept« vorzulegen. »Der Ball liegt jetzt bei Wolfgang Schäuble«, sagte er der »Bild«-Zeitung. Das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) setzte sich dafür ein, die »kalte Progression« ohne Gegenfinanzierung abzuschaffen. »Eine Gegenfinanzierung wäre Politik nach dem Motto linke Tasche, rechte Tasche«, sagte IW-Direktor Michael Hüther der »Passauer Neuen Presse«. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht aktuell wohl keinen Spielraum für eine Steuerentlastung bei der »Kalten Progression«. Dies bekräftigte sie nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in einer CDU-Vorstandssitzung am Montag in Berlin. Agenturen/nd
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