Wen interessiert schon Badachschan?

  • Emran Feroz
  • Lesedauer: 3 Min.

Als wären die Menschen in Afghanistan nicht schon vom Krieg genug geschunden, werden sie seit einigen Wochen auch noch von Naturkatastrophen heimgesucht. Erst regnete es im Norden tagelang, dann kam das Hochwasser. Mindestens 150 Menschen starben in den Fluten; Überlebende verloren ihr ohnehin geringes Hab und Gut.

Nun erreichte die Katastrophe ein neues Ausmaß: In der Provinz Badachschan begrub eine Schlammlawine ein ganzes Dorf unter sich. Die Rede ist von 2000 Toten - und keiner Hoffnung auf Überlebende. Die Regierung in Kabul hat das Dorf zum Massengrab erklärt. Einige wenige Bewohner aus der Umgebung werden nun – nach der Katastrophe – evakuiert. Weitere Schlammlawinen? Nicht unwahrscheinlich!

Für Naturkatastrophen – das legt schon der Name nahe - kann der Mensch selten etwas. Doch in diesem Fall ist es anders: Seit Jahren ist bekannt, welche Regionen des Landes von Hochwasser und Erdrutschen bedroht sind. Die Initiative ergriffen wurde nie. Weder wurden Dorfbewohner zur Umsiedlung aufgefordert, noch kurzfristig in Sicherheit gebracht.

Und noch etwas wird deutlich: wie am Hindukusch mit Entwicklungshilfen umgegangen wird. Nämlich gar nicht. Dank der Karzai-Regierung, die zur korruptesten der Welt gehört, flossen die meisten westlichen Hilfsgelder in die Taschen korrupter Politiker. Milliarden US-Dollar wurden nicht in die Infrastruktur Afghanistans investiert, sondern tauchten in Dubai wieder auf. Dort unterhalten afghanische Politiker – unter ihnen auch Abkömmlinge des Karzai-Clans - pompöse Villen und genießen ihr Jet-Set-Leben.

Auch in afghanischen Großstädten wie Kabul schrecken Regierungsmitarbeiter nicht davor zurück, ihre teuren Jeeps und Luxuskarossen zur Schau zu stellen. Täglich werden neue Prunkbauten errichtet, während die Menschen auf der Straße in Blechhütten und auf Pappkartons schlafen.

Da sich Afghanistan immer noch im Wahlkampf befindet, nutzten die meisten Politiker die Katastrophe für ihre jeweiligen Kampagnen aus. Einige zeigen sich vor Ort, lächeln in die Kameras, während Überlebende, nur mit einfachen Schaufeln ausgestattet, verzweifelt nach ihren Freunden und Verwandten graben. Echte Hilfe erreicht die Menschen kaum.

Ähnlich desinteressiert wie die afghanische Politik-Elite zeigen sich westliche Medien an der Katastrophe. 2000 Tote taugen bestenfalls zur Randmeldung. Das Hochwasser, das der Katastrophe voraus ging, wurde kein einziges Mal erwähnt. Im »Heute Journal« läuft Kritik an Putin und der Geburtstagsfeier eines Altbundeskanzlers; für ein verschüttetes Dorf mit 2000 Toten bleiben bestenfalls einige Sekunden.

Nur zum Vergleich: Im Jahr 2005 starben durch den Hurrikan Katrina rund 1800 Menschen im Südosten der USA. Wochenland und rund um die Uhr wurde in Sondersendungen das Ausmaß der Katastrophe deutlich gemacht. Weltweit zeigten sich Politiker mit den US-Amerikanern solidarisch und boten Hilfe an. Schweigeminuten gehörten zum Tagesprogramm.

Es ist längst nichts Neues, dass ein Toter im Irak, in Afghanistan oder in Palästina nicht gleichwertig ist mit einem US-Amerikaner oder Europäer. Blut ist nicht gleich Blut. Menschen werden klassifiziert: hier »unsere« Opfer, dort »eure«. So werden die Afghanen ein weiteres Mal zum Opfer: Erst brachen Krieg und Flut über sie herein und nun unser Desinteresse.

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