Was hat der Kater damit zu tun?
Sibylle Lewitscharoff hat mit »Killmousky« einen ziemlich betulichen Krimi geschrieben
Nicht, dass daraus etwa eine Krimiserie wird! Richard Ellwanger, Kriminalhauptkommissar a.D. braucht mit 57 noch eine lohnende Beschäftigung. Und Sibylle Lewitscharoff offenbar auch. Dass jemand auf einen Zug aufsteigt, mit dem andere schon einträglich unterwegs sind - auf dem Buchmarkt geschieht das ständig, niemand nimmt grundsätzlich Anstoß daran. Wer indes den Büchner-Preis nach Hause getragen hat, sollte ihn auch behaupten können. Wer als Sternekoch firmiert, darf schließlich nicht bloß Tiefkühlkost servieren.
Sibylle Lewitscharoff muss sich nun sagen lassen, überschätzt worden zu sein. Ohnehin ist ihr Ruf angekratzt nach ihrer Dresdner Rede vom März 2014, in der sie sich unter anderem gegen künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft aussprach. Da spürt man in sich sogar den Impuls, mit ihrem neuen Buch lieber etwas gnädiger umgehen zu wollen, weil es wohlfeil erscheint, in den Chor einer missmutigen Literaturkritik einzustimmen. Ja, wen es nicht stört, dass es ein Krimi »von der Stange« ist ... Wer Lewitscharoffs betuliche Schreibweise vor dem Hintergrund des Actionthrillerwesens vielleicht sogar schätzt ... Wer sich freut, probate Krimimotive wiederzuerkennen ... Das Spiel mit dem Vorhersehbaren ist ein Erfolgsrezept der Massenliteratur.
Richard Ellwanger darf durch Vermittlung einer betuchten Münchner Bekannten einen Todesfall in der New Yorker Oberschicht aufklären. Der Fenstersturz einer jungen Frau als Selbstmord oder Mord - das hatten wir gerade erst bei Joanne K. Rowling. Dass ein alter Mann im Rollstuhl einen Privatdetektiv engagiert, hat sich schon Raymond Chandlers ausgedacht. Carmen und Vivian aus »Der große Schlaf« erleben hier ihre Wiedergeburt in der berechnenden Catherine. Man weiß gleich, dass sie irgendwann eine Pistole in der Hand haben wird. Vorher steigt sie, wie zu erwarten, noch mit Ellwanger ins Bett. Der ist allerdings nicht so »hardboiled« wie Philipp Marlowe, er sieht ein, dass er als Polizist seinen Dienst quittieren musste, nachdem er dem Entführer zweier Kinder mit Folter drohte. Wobei man sofort an jene Frankfurter Polizisten denkt, die dem Kidnapper des 11-jährigen Markus Desch-ner auf diese Weise Angst einjagten. Aber dieses brisante Thema wird von der Autorin gar nicht weiter verfolgt. Vielleicht im nächsten Krimi.
Auch was sie mit dem schwarzen Kater Killmousky will, müsste sich noch herausstellen. Hier vertreibt er lediglich Ellwangers Einsamkeit. Wenn Kritiker eine Parallele zu Akif Pirinçcis Katzenkrimi »Felidae« herstellten, ist das an den Haaren herbeigezogen. Denn das Katerchen bei Lewitscharoff ist von Detektivaufgaben weit entfernt.
Es ist kein literarischer Vergleich, sondern einer zum Zwecke des ideologischen Keulenschwungs: von Pirinçcis. »Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer« über Lewitscharoffs Rede bis zu ihrem Krimi. Dem Buch liege ein Denkmuster zugrunde, »in dem sich heimattümelnder Konservatismus und völkisches Denken sehr nahe sind«, hieß es bei »Spiegel online«. Unsinn. Lewitscharoff nimmt ihren neu gebackenen Privatdetektiv lediglich aus einem anderen sozialen Hintergrund, dem süddeutschen bäuerlichen, den sie überhaupt nicht idealisiert, und lässt ihn in New York zunächst gar unbeholfen erscheinen, allein schon, weil er die Sprache nicht richtig kennt. Seine Ermittlungen führen ihn in ein reiches Haus, aber die Typen, denen er dort begegnet, sind nicht so sehr amerikanisch wie global verbreitet. Ob der Rezensent da durch eine - wie auch immer - beschlagene Brille schaute?
Zu etwas Problematischem lässt sich Lewitscharoffs Buch beim besten Willen nicht hochstilisieren. Es ist im stillen Kämmerlein aus Typen und Handlungs-Versatzstücken zusammengebaut. Ohne frischen, eigenen Wirklichkeitsbezug. Das müssen doch auch die Suhrkamp-Lektoren gemerkt haben. »Die Sprachvirtuosin Sibylle Lewitscharoff nimmt sich eines Genres an, das mit ihr Millionen lieben. Killmousky ist ein grandioser Kriminalroman ...« - Nein, ersparen wir uns den Fortgang der Lobeshymne. Es ist ein Buch, das einen, wie man sagt, nicht vom Sessel reißt, aber mit seiner dahinplätschernden Handlung womöglich auch nicht im Sessel hält. Hätte der Klappentext da nicht wenigstens etwas bescheidener ausfallen können?
Sibylle Lewitscharoff: Killmousky. Roman. Suhrkamp. 224 S., geb., 19,95 €.
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