Venedigs Bürgermeister stolpert über MOSE

35 Personen wegen Korruption und Geldwäsche bei Deichbau in der Lagunenstadt verhaftet

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Verhaftungswelle in Venedig steht in Zusammenhang mit dem Bau des MOSE, des mobilen Deichs, der die Lagunenstadt vor dem Hochwasser schützen und auf lange Sicht retten soll.

In Venedig wurden am Mittwochfrüh der Bürgermeister der Stadt, Giorgio Orsoni, und 34 weitere Personen verhaftet. Die Anklagepunkte sind Korruption, Vorteilsnahme und Geldwäsche. In die Affäre soll auch der ehemalige Ministerpräsident der Region Veneto Giancarlo Galan verwickelt sein, der allerdings nicht verhaftet werden konnte, da er derzeit Parlamentarier in Rom ist und es deshalb der Genehmigung eines besonderen Ausschusses der Abgeordnetenkammer bedarf.

Die Untersuchungen der Justizbehörden dauern seit über drei Jahren. Es geht dabei um den Bau des so genannten MOSE (Modulo Sperimentale Elettromeccanico - Elektromechanisches Versuchsmodul), eine Art schwimmender Deich, der die Lagunenstadt gegen das immer wieder auftretende extreme Hochwasser schützen soll, das die hölzernen Fundamente der Stadt stark angreift. Die Gesamtkosten dieses umstrittenen Mammutunternehmens belaufen sich auf 5,493 Milliarden Euro; die ersten Module sind bereits fertiggestellt worden und insgesamt sollen die Bauarbeiten, mit denen 2003 begonnen wurde, 2016 abgeschlossen sein.

Jetzt haben die Staatsanwälte ein komplexes System ausgemacht, mit dem pausenlos Gelder an die Politiker praktisch aller Parteien geflossen sein sollen: Bürgermeister Giorgio Orsoni wurde 2010 von einer Mitte-Links-Koalition gewählt, während Giancarlo Galan zur Berlusconi-Partei Forza Italia gehört und die Region mit einer rechten Koalition regierte.

Die Unternehmer, die für den Bau des schwimmenden Deiches verantwortlich zeichnen, sollen Schwarzgelder angehäuft und diese dann nach San Marino gebracht haben, wo sie über eine befreundete Finanzierungsfirma weiß gewaschen wurden. Dann traten diese Gelder - man spricht von mindestens 20 Millionen Euro - ihre Reise in die Taschen der Politiker und Regionalfunktionäre an. Ein so verzweigtes System braucht natürlich auch eine Reihe von Helfershelfern: Unter den Verhafteten oder den etwa 100 Personen, gegen die in der gleichen Sache derzeit ermittelt wird, sollen unter anderen auch ein hoher Polizeifunktionär, ein General der Finanzpolizei, ein ehemaliger Mitarbeiter der Geheimdienste und ein bekannter Journalist und Verleger sein. Sie alle sollen die Arbeit der Staatsanwaltschaft behindert und geheime Informationen an die Betroffenen weitergeleitet haben.

Wirklich überrascht ist in Venedig niemand. In den letzten Monaten hat es verschiedene Anzeichen dafür gegeben, dass mit dem Bau des MOSE auch zahlreiche illegale Aktivitäten verbunden waren. Einige »kleine Fische« waren bereits verhaftet worden, bevor den Ermittlungsbehörden dann am Mittwochmorgen der große Coup gelang. Die Anwälte von Giorgio Orsoni, der aufgrund seines Alters nicht ins Gefängnis musste, sondern unter Hausarrest gesetzt wurde, haben sofort die Unschuld ihres Mandanten beteuert und sind zuversichtlich, dass sich in Kürze alles klären wird. Sein Vorgänger im Amt des Bürgermeisters von Venedig, der Philosoph Massimo Cacciari, zeigt sich nicht verwundert. Er habe schon immer erklärt, dass die amtlichen Kontrollmechanismen für den Bau des MOSE unzureichend seien und der Korruption Tor und Tür öffnen würden.

Vor allem gegen die extrem hohen Kosten des Bauwerkes hat es von Anfang an Proteste gegeben. In erster Linie Umweltschützer und einige linke Gruppen hatten darauf hingewiesen, dass ähnliche Vorrichtungen in anderen Gebieten - unter anderem in den Niederlanden - nur einen Bruchteil der in Venedig veranschlagten Summen kosten.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -