Häftlingsarbeit besserte Staatskasse auf

Bericht prangert Zwangsarbeit DDR-Betrieben an, die für BRD-Firmen produzierten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine neue Studie zeigt, dass mehr westdeutsche Firmen als bislang bekannt von der Häftlingsarbeit in der DDR profitierten. Die Betroffenen fordern nun Entschädigung.

Beruhte die Exportwirtschaft der DDR auf der Ausbeutung von Zwangsarbeitern? Diesem Eindruck könnte man erliegen, wenn man den am Montag veröffentlichten Forschungsbericht »Zwangsarbeit in der SBZ/DDR« für bare Münze nimmt. Demnach sollen etwa 600 DDR-Betriebe Häftlinge als Zwangsarbeiter ausgebeutet haben. Darunter waren 180 000 bis 200 000 politische Gefangene. In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) und bezahlt wurde sie vom Möbeldiscounter Ikea. Die Schweden waren 2012 ins Gerede gekommen, weil jene Möbel, die sie in der 80ern aus der DDR bezogen, auch von Häftlingen hergestellt wurden. Und so ließen sie 120 000 Euro für die »Aufarbeitung« springen.

Der vom ehemaligen Pfarrer Christian Sachse erarbeitete Bericht relativiert nun die »Schuld« von IKEA. Denn auch andere westdeutsche Konzerne haben von der DDR-Häftlingsarbeit profitiert, so Sachse. Egal ob Strumpfhosen für Karstadt, Küchenherde für Quelle oder Farbfilme für Neckermann - viele Dinge aus DDR-Betrieben tauchten im Westen wieder auf. Oftmals ohne den Hersteller zu verraten. Die auf Valuta angewiesene DDR war aus Sicht westdeutscher Geschäftsleute der ideale Partner. Streiks und Arbeitskämpfe waren nicht zu befürchten, die innenpolitische Lage schien stabil und dank des niedrigen Wechselkurses waren Güter »Made in GDR« spottbillig. Die DDR ihrerseits brauchte dringend Devisen und exportierte in den 80ern alles, was nicht niet- und nagelfest war. Dabei hatte die Produktion für das »Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet« stets Vorrang. Viele Güter, die in der DDR Mangelware blieben, landeten auf den Grabbeltischen westdeutscher Discounter oder wurden als Billigware in Versandhauskatalogen verhökert.

Dass bei der Produktion auch Häftlinge eingesetzt wurden, ist keine Überraschung. Schließlich herrschte in vielen Berufen ein chronischer Arbeitskräftemangel. Und der Einsatz von Gefangenen ist auch in der Bundesrepublik nicht verboten, wie Sachse am Montag einräumen musste. Aber Zwangsarbeit klingt griffiger als Arbeitspflicht. Laut Strafvollzugsgesetz Paragraf 41 ist der Gefangene auch heute noch »verpflichtet«. Selbst das Bundesverfassungsgericht kam 1998 zu dem Schluss, dass die Arbeitspflicht »mit dem Grundgesetz vereinbar« sei. Allerdings haben Länder wie Brandenburg oder Rheinland-Pfalz den Arbeitszwang mittlerweile abgeschafft. Während westdeutsche Häftlinge etwa fünf Prozent des Durchschnittslohns erhalten, wurde in der DDR »sogar etwas mehr ausgezahlt«, wie der Theologe und Mitbegründer der Ost-SPD, Richard Schröder, in einem Meinungsbeitrag für die »FAZ« schrieb.

Doch die in der DDR ausgeübte Häftlingsarbeit war trotzdem nicht rechtmäßig, so Studienautor Sachse. Schließlich sei sie nach internationalen Statuten untersagt, wenn sie »als Mittel politischen Zwangs und zur wirtschaftlichen Entwicklung« eingesetzt werde. Die DDR habe gegen diese Maßgaben verstoßen.

Zudem habe es keine scharfe Trennung zwischen Kriminellen und politischen Gefangenen gegeben. Auch sei die Zahl der Arbeitsunfälle in den Knästen deutlich höher gewesen als außerhalb, so Sachse. Laut Studie mussten zwischen 12 000 und 50 000 Insassen regelmäßig arbeiten. Allerdings empfanden nicht alle »politischen« Gefangenen diese Arbeit als reinen Horror. Unter dem Hohngelächter anderer Betroffener berichtete die wegen versuchter Republikflucht verurteilte Angelika Cholewa am Montag von ihrer Tätigkeit im Frauengefängnis Hoheneck, wo sie Bettwäsche nähen musste. Nach einem Dreivierteljahr Untersuchungshaft habe sie die Arbeit in der Näherei »als Geschenk empfunden«. Weniger Glück hatte Herbert Schneider, der angab, mittels Folter zur Maloche getrieben worden zu sein.

Der auf der Pressekonferenz geäußerte Unmut von Betroffenen ist verständlich, schließlich wollen sie von den Firmen entschädigt werden, wie UOKG-Chef Rainer Wagner gegenüber der »Frankfurter Rundschau« betonte.

Allerdings hat Wagner die Studie wohl nicht richtig gelesen. Denn die Westfirmen sind weitgehend aus dem Schneider, weil es kaum direkte Kontakte zwischen ihnen und den DDR-Betrieben gab und ihnen somit keine Mitwisserschaft nachgewiesen werden kann. Derartige Geschäfte wurden auch nie direkt getätigt, sondern über die staatlichen Außenhandelsfirmen abgewickelt. Die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), kündigte eine weitere Untersuchung an.

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