Die Puppenspieler

Peter Böhm über ein Residentenpaar

  • Helmut Müller-Enbergs
  • Lesedauer: 3 Min.

Was bleibt? - »Marianne und ich hatten wichtige Jahre unseres Lebens in französischen Gefängnissen zubringen müssen. Es war verlorene Lebenszeit. Was alles hätten wir, in der Mitte unseres Lebens, vollbringen können? Doch wir wussten und wissen, warum wir dort waren.« 1966 ist Hans-Joachim Bamler zu 18 und seine Frau Marianne zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden; er musste davon acht, sie sieben Jahre absitzen. Sie hatten knapp zwei Jahre in Paris im Auftrag der HVA des MfS der DDR verbracht, um die Informationen nach Ostberlin zu übermitteln, die die Sekretärin »Isolde« im Öffentlichkeitsreferat der NATO mitbekam und die ihnen von deren Mann »Tristan« zugespielt wurden.

Das Unternehmen war pfiffig eingefädelt. Die Bamlers bekamen eine neue Identität und heirateten in Frankreich erneut. Er war der Spross eines nachrichtendienstlichen Haudegens - Sohn von Rudolf Bamler, ehemaliger Wehrmachtsgeneral, Mitglied des »Nationalkomitees Freies Deutschland«, Generalmajor der NVA und Inoffizieller Mitarbeiter der Potsdamer Filiale der HVA. Die über drei Jahre kunstvoll von Führungsoffizier Klaus Rösler arrangierte Vorbereitung des Ehepaars sollte jedoch nicht die erhofften Früchte abwerfen.

In Köln knackte man den Funkcode und weihte die französischen Amtsbrüder ein, die nicht lange suchen mussten, bis sie fündig wurden. Am 16. Mai 1966 verhafteten sie die Bamlers sowie »Isolde« und »Tristan«. In der Wohnung der Bamlers fanden sie »bunte russische Puppen«, womit der Name für das ausgehobene Agentennetz fest stand: »Le réseau des poupées« (Puppennetz). Dass der nachrichtendienstliche Ertrag der »Puppenspieler« nicht sonderlich groß war, verwundert nicht, befand sich doch diese Residentur noch im Aufbau. Ihr Verlust hielt sich für die ostdeutsche und sowjetische Nachrichtendienstcommunity in Grenzen. Der »Große Bruder« verfügte über bessere Zugänge zur NATO, die nach der Verhaftung der Bamlers aus Frankreich auszog.

Was an den von Peter Böhm verschrifteten Erinnerungen des Residenten-Ehepaars berührt, ist die politische Festigkeit, mit der die beiden zu ihrer Mission stehen. Und das bleibt - von den vielen erfolglosen Anfängen des Hans-Joachim Bamler: Leutnant in der Wehrmacht, nach dem Krieg Saatzuchtmeister, Ofenarbeiter, Filmdrucker, Leutnant in der Kasernierten Volkspolizei der DDR, Werbeleiter am Maxim-Gorki-Theater, Sekretär für junge Künstler, Angestellter bei der Konzert- und Gastspieldirektion und auch dort wieder gekündigt. Die Agentenkarriere endete ebenfalls nach kurzer Zeit. Mit dem Scheitern des Realsozialismus war die Serie an Niederlagen nicht vorbei: Selbst die Haftzeit wurde den Bamlers als Rentenzeit aberkannt - zu Unrecht!

Der Journalist geizt nicht mit Auslassungen und Überzeichnungen. Was leider fehlt, ist die Fortsetzung der Geschichte von »Isolde« und »Tristan«, die zwei Mal bestraft wurden: mit ihrer Verhaftung und dann, als sie - anders als die Bamlers - gegen ihren Willen Heimat im Sozialismus nehmen mussten. Ihr Idealismus war verbraucht, weshalb sie hier namenlos bleiben.

Peter Böhm: Spion bei der NATO. Hans-Joachim Bamler, der erste Resident der HVA in Paris. Edition Ost, Berlin. 252 S., br., 14,99 €.

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