»Ich kam als Gast in euer Land gereist«
Wie deutsche Hitlergegner Opfer des Stalinterrors wurden / Ausstellung und Veranstaltungsreihe im nd-Gebäude am Franz-Mehring-Platz
Berlin. Mit einer deutsch-russischen Ausstellung wird ab kommenden Montag im nd-Gebäude in Berlin an deutsche Antifaschisten und Linke erinnert, die Opfer des stalinschen Verfolgungssystems wurden. Die deutsch-russische Wanderausstellung, die nach ihrer Eröffnung im Russischen Staatsarchiv für sozialpolitische Geschichte in Moskau und in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand unter anderem bereits in St. Petersburg, Brüssel und Paris Station machte, dokumentiert Familiengeschichten meist unbekannter Deutscher. Im Europaparlament war die Ausstellung von der inzwischen nicht mehr der Linksfraktion angehörenden griechischen KKE kritisiert worden; die Station im Berliner Karl-Liebknecht-Haus, wo die Linkspartei residiert, war von Debatten über die Geschichtsaufarbeitung der deutschen Linken und die Anbringung einer Tafel in Erinnerung an die linken Opfer des Stalinismus begleitet.
Wie eine Befreiung
Rede von Ursula Schwartz bei der Enthüllung der
Gedenktafel an die linken Opfer des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion - hierDie Tafel und das unaufkündbare Leitmotiv
Linkspartei gedenkt der linken Opfer des Stalinismus – nach längerem Streit über ihr Geschichtsbild - hier
Die Ausstellung wird am 23. Juni um 17 Uhr im Foyer des nd-Gebäude am Franz-Mehring-Platz eröffnet. Mit der Präsentation in dem Haus, in dem auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung residiert, kehrt die Ausstellung an den Ort ihrer Entstehung und Förderung zurück. Bis Ende 2014 wandert sie weiter nach Kiel, Mainz und Mannheim/Ludwigshafen. Im Juni und Juli finden in Berlin aber zunächst vier die Ausstellung begleitende Veranstaltungen statt.
Am 25. Juni um 18 Uhr im Salon der rls spricht Maik Hamburger über das Buch seines Vaters Rudolf Hamburger, der über »10 Jahre Lager. Als deutscher Kommunist im sowjetischen Gulag« berichtet hat. Der Bauhausarchitekt traf, aus der Schweiz kommend und unvorbereitet durch den sowjetischen Exilalltag, auf die Brutalität des stalinistischen Terrors.
Am 2. Juli um 17 Uhr im Münzenbergsaal diskutieren Michael Brie, Christoph Jünke, Anja Schindler und Inge Münz-Koenen über den »Bruch mit dem Stalinismus als System?« - in Anlehnung an den berühmten Satz von Michael Schumann auf dem außerordentlichen SED-Parteitag 1989, hier allerdings ausdrücklich mit einem Fragezeichen versehen. »Das historische Feld wird neu vermessen, das Weiterleben des Stalinismus unter heutigen Linken nicht mehr bestritten«, so die Ankündigung zu der Veranstaltung.
Am 9. Juli um 18 Uhr im Salon der rls wird es einen Vortrag von Jürgen Schebera über die Musikszene der deutschen Moskau-Emigranten mit historischen Ton- und Filmdokumenten geben - Überschrift: »Ernst Busch, Hans Hauska und Genossen«. 1936/37 hielt sich Ernst Busch für längere Zeit in Moskau auf, gab Konzerte, sang im Rundfunk und produzierte bei der Plattenfirma Gramplasttrest insgesamt sechs Schellack-Liedeinspielungen. Dabei arbeitete er eng mit Grigori Schneerson und Hans Hauska zusammen. Diese äußerst raren Aufnahmen sind hier erstmals wieder komplett zu hören.
Am 16. Juli um 18 Uhr im Salon der rls diskutieren Marina Garbusowa, Konstantin Münz, Konrad Rayß und Anja Schindler über die Exilschicksale von Sowjetemigranten aus der Sicht der Töchter und Söhne. Geboren in den Verbannungsgebieten der Sowjetunion, fernab von der modernen Welt, geboren und sozialisiert, kamen die Kinder deutscher Emigranten in den 1950er Jahren in die DDR - in ein ihnen unbekanntes Land. An diese Zeit der Heimkehr wollen sich die Emigrantenkinder erinnern und gemeinsam mit dem Publikum darüber reden, wie diese Kinderjahre und das Emigrantenschicksal der Eltern bzw. Großeltern noch heute ihr Leben bestimmen.
Die Veranstaltungen zur Ausstellungen finden im Rahmen der Münzenberg-Lektionen statt, einer Gemeinschaftsreihe des Münzenberg Forum Berlin, der Tageszeitung »neues deutschland«, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Linken Medienakademie LiMA und der Grundstücksgesellschaft FMP1. nd
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