Leyla Yunus sieht sich bedroht

Aserbaidshanische Menschenrechtsaktivistin tritt für Versöhnung mit dem »Erzfeind« Armenien ein

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwischen Aserbaidschan und Armenien herrscht nach wie vor Kriegszustand - wegen des Konflikts um Bergkarabach. Anhänger einer Versöhnung zwischen beiden Staaten haben es schwer.

»Ich rechne jeden Tag mit meiner Verhaftung. Mein Mann Arif und ich sind Geiseln des Geheimdienstes. Man hat uns unsere Pässe abgenommen«, berichtet Leyla Yunus, Aserbaidshans bekannteste Menschenrechtlerin, per Telefon. Mindestens einmal pro Woche erhalten Leyla und Arif Yunus Besuch vom Geheimdienst, regelmäßig werden sie von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. »Ich kann diese ständigen Verfolgungen nur noch schwer verkraften. Mehrfach drohten mir Geheimdienstler mit Vergewaltigung.« Als Leyla Anfang Juli der OSZE-Jahrestagung in Baku beiwohnen wollte, wurde sie von Polizisten am Betreten des Konferenzgebäudes gehindert.

Leyla Yunus, Direktorin des Instituts für Frieden und Demokratie, ist den Behörden ihres Landes schon lange ein Dorn im Auge. Ihr Institut dokumentiert seit Jahren Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidshan und übermittelt die Informationen an die Weltöffentlichkeit. Zum Verhängnis wurde ihr jedoch ihre Arbeit für Dialog und Versöhnung mit den armenischen »Erzfeinden«, die - so heißt es in Baku - 20 Prozent des aserbaidshanischen Territoriums besetzt halten. Gemeinsam mit armenischen Partnern organisierte sie armenisch-aserbaidshanische Konferenzen und bemüht sich um Aussöhnung. »Ich will keinen weiteren Krieg mehr. Ich will nicht, dass armenische und aserbaidshanische Kinder sich hassen. Ich will keine Politik, die auf Hass und Krieg setzt«, begründet Yunus ihr Engagement für die Verständigung.

Leyla Yunus war nicht immer Pazifistin. Während des Krieges zwischen Armenien und Aserbaidshan um das Gebiet Bergkarabach Anfang der 90er Jahre war sie im aserbaidshanischen Verteidigungsministerium Chefin der Abteilung Information und Analyse. Fast täglich hatte sie während des Krieges bei Pressekonferenzen die Stimmung mit angeheizt, als Pressesprecherin ihres Ministeriums kämpfte sie ganz vorne an der Informationsfront.

Wenige Jahre später begann ihre Zusammenarbeit mit dem Armenier David Schachnasarjan. Auch er hatte während des Krieges als Minister für Staatssicherheit Armeniens eine führende Stellung im Kriegsapparat inne. Gemeinsam organisierten Yunus und Schachnasarjan nach Kriegsende armenisch-aserbaidshanische Konferenzen und Projekte.

Auch andere Persönlichkeiten, die den Dialog mit Armenien suchen, werden zu Opfern der Verfolgung in Aserbaidshan. Am 19. April war der Journalist Rauf Mirkadirow am Flughafen in Baku verhaftet worden, wohin ihn die Türkei ausgeliefert hatte. Mirkadirow wird der Spionage für Armenien beschuldigt. Sein »Verbrechen«: Er hatte sich an armenisch-aserbaidshanischen Gesprächen beteiligt, die von Leyla Yunus organisiert und teilweise von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung finanziert worden waren.

Avas Hasanov, Leiter der Gesellschaft für Humanitäre Forschung, berichtete gegenüber »nd«, seine Organisation sei nicht mehr handlungsfähig, nachdem die Behörden im April das Konto gesperrt hätten. Einige internationale Organisationen hätten Baku verlassen oder seien nur noch pro forma präsent, beklagt Hasanov. Sie hätten ihr Personal erheblich reduziert und seien kaum noch aktiv. Auch Hasanov wurde unlängst vom Geheimdienst verhört.

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