Ein Euro für die Karstadt-Mehrheit
Angeblich laufen bereits Verkaufsgespräche für den Kaufhauskonzern - Beschäftigte und Stadtväter bangen
»20% Rabatt auf alle Artikel der Marke ...« Wer am Freitag die Karstadt-Homepage anklickte, dem stach zuerst ein Lockangebot ins Auge. An den »Sale« als Beinahe-Dauerzustand haben sich Kunden längst gewöhnt. Dabei sollte die Schnäppchenstrategie eigentlich beendet werden. Die einstige Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt war vor gut vier Monaten als Chefin angetreten, um neue Konzepte für das angeschlagene Unternehmen zu entwickeln. Neben dem Zurückfahren der Rabatte sollten auch die 83 Kaufhäuser stärker lokal ausgerichtet werden. Doch offenbar wollte der Eigentümer der Karstadt Warenhaus GmbH, die Berggruen Holdings, dafür kein Geld springen lassen.
In dieser Woche warf Hoffnungsträgerin Sjöstedt nun überraschend das Handtuch. Wie sie in einer Erklärung zwischen den Zeilen zum Ausdruck brachte, mangelte es an Unterstützung für ihren Kurs von Seiten des Investors. Auch die Gewerkschaft ver.di hatte in den vergangenen Monaten angesichts der schwierigen Lage des finanziell angeschlagenen Unternehmens immer wieder Investitionen von Berggruen gefordert. Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein, beziffert den bisher bei den Warenhäusern aufgelaufenen Investitionsstau auf ein bis zwei Milliarden Euro.
Beobachter mutmaßen schon länger, dass Berggruen nur noch aussteigen will. Wie die »Bild«-Zeitung am Freitag berichtete, laufen bereits Verhandlungen über einen Verkauf an die österreichische Investorengruppe Signa. Diese könnte zum symbolischen Preis von einem Euro 70 Prozent an dem Unternehmen erwerben. Die Gruppe des Tiroler Unternehmers René Benko hatte bereits im Dezember 2012 insgesamt 17 Karstadt-Immobilien gekauft und im Herbst 2013 gut drei Viertel der Anteile an den Premium- und Sport-Warenhäusern von Karstadt erworben. Weder Berggruen noch Signa wollten sich am Freitag äußern.
Vor allem für die derzeit noch rund 17 000 Karstadt-Beschäftigten heißt es wieder einmal bangen. ver.di-Bundesvorstand Stefanie Nutzenberger spricht von einer »unerträglichen Hängepartie und einer zermürbenden Situation für die Beschäftigten«. Die Gewerkschafterin forderte die Eigentümer von Karstadt auf, endlich ihre Zukunftspläne auf den Tisch zu legen. Die Mitarbeiter hätten in den vergangenen zehn Jahren und über vier Sanierungstarifverträge auf rund 700 Millionen Euro verzichtet und so zur Sanierung beigetragen, so. Jetzt wollten sie »auf der Eigentümerseite Taten sehen«.
Berggruen hatte Karstadt 2010 nach der Pleite der Konzernmutter Arcandor übernommen und so vor dem Ende gerettet. Er hatte damals versprochen, Arbeitsplätze zu erhalten und Filialen zu modernisieren. Doch bis heute schreibt Karstadt rote Zahlen. Spekuliert wurde auch über eine mögliche Zusammenlegung mit dem Konkurrenten Kaufhof. Dessen Mutterkonzern Metro lehnte dies immer ab - zuletzt Mitte dieser Woche: »Karstadt ist für uns überhaupt kein Thema«, so Metro-Chef Olaf Koch.
Wie geht es bei Karstadt weiter? Aufsichtsratschef Stephan Fanderl, der als möglicher Nachfolger Sjö-stedts gehandelt wird, hatte bereits vor einigen Monaten in einem Interview deutlich gemacht, dass er auch zu schmerzhaften Einschnitten bereit wäre. Alle Filialen müssten auf den Prüfstand und schmerzhafte Konsequenzen bis hin zur Schließung dürften nicht ausgeschlossen werden.
Diese Aussicht bereitet den Stadtvätern Sorge - die Karstadt-Häuser zieren viele Innenstädte. Wenn eine so große Immobilie leerstehe, »sinken oft auch die Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld«, sagte Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag. Damit nehme auch die Lebensqualität der Bevölkerung ab. Derartige Probleme hatte bereits die Pleite der Karstadt-Tochter Hertie mit sich gebracht. Die Städte hofften daher darauf, dass die Karstadt-Warenhäuser bestehen blieben, so Dedy.
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