Natschinski in Rüdersdorf
Sommeroperette
Das wird ein »heißer Sommer« für Gerd Natschinski. Gerade hat die Musikalische Komödie Leipzig seine Operette »Freund Bunbury« wiederaufgenommen, nach drei Jahren Pause, und damit die preisgünstige DDR-Antwort auf den tantiementechnisch teuren Broadway-Erfolg »My Fair Lady« neu zur Diskussion gestellt. Derweil haben sich die Verantwortlichen der Freiluftoperette Rüdersdorf dafür entschieden, nach Berliner Nostalgie-Titeln von Walter Kollo einen bewussten Schwenk zu Ostalgie-Stücken zu machen, die künftig Schwerpunkt der Sommeroperette im Museumspark sein sollen. Als Auftakt gibt es am 19. und 20. Juli, jeweils um 16 Uhr, »Messeschlager Gisela« - jenes Stück, das 1960 im Metropoltheater seine Uraufführung erlebte - und ein Jahr vor Mauerbau die DDR als verblüffend weltoffenes Land präsentiert.
Als kritischer Spiegel der Zeitläufte, der Operette im Idealfall immer war, ist »Messeschlager« sicher das interessantere Stück von Natschinksi. Weil es auch Nachwende-Zuschauer in die Welt sozialistischer Produktionsweisen und Arbeitsverhältnisse im VEB Schick entführt. Es gab in Berlin 1998 an der Neuköllner Oper eine berühmte Peter-Lund-Produktion der Sixties-Modewelt-Operette, die Kultstatus erlangte. Seither wurde das Stück 1999 in Cottbus, 2000 in Freiberg und 2001 in Chemnitz gespielt.
In Rüdersdorf wird Stephan Wapenhans Regie führen, der »nicht an einer Romantisierung der DDR« interessiert ist. Vielmehr will er das »Arbeitermilieu« im Stück betonen sowie das Problem des Umgangs mit Obrigkeit. Er wird etwa 25 Darsteller auf die Bühne holen, u.a. Letizia Thate als junge Modedesignerin Gisela und den spanischen Tenor Santiago Suárez als durch die Welt jettenden Reporter Fred Funke.
Bei der Pressekonferenz sangen Thate und Suárez die Hauptschlager, »Rose Rosen« und »So schön, von ganzem Herzen glücklich zu sein«, was zugegebenermaßen nicht besonders schillernd herüberkam. Und ob die frühen sechziger Jahre - ein besonderer optischer Reiz des Stücks - in den Kostümen der Rüdersdorferin Irina Behrendt wirklich knallig wirken werden, darf ebenfalls bezweifelt werden. Natürlich gäbe es in Berlin interessantere Darsteller (allein die Musical-Abteilung der Universität der Künste ist voll davon), aber solch flotte Besetzungen sind nicht der Stil, den die Sommeroperette pflegt. Das mag man schade finden, man kann sich aber auch einfach freuen, den »Messeschlager« zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder auf der Bühne zu erleben.
Falls es regnet, wird das Stück im historischen Martin-Anderson-Nexö-Theater auf der anderen Straßenseite gezeigt, das rein atmosphärisch und akustisch eine mehr als adäquate Alternative ist.
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