Der versteckte Wohlstand
Piketty-Schüler Gabriel Zucman fordert mehr politischen Druck auf Steueroasen
Ökonomen beschäftigen sich kaum mit Steueroasen. Das werde Journalisten, Nichtregierungsorganisationen und Juristen überlassen. Dadurch werde das Problem auf Einzelfälle reduziert, auf die man mit moralischer Empörung blicken könne - etwa Uli Hoeneß. Das schreibt der 27-jährige französische Ökonom Gabriel Zucman in seinem Buch »Steueroasen - wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird«. Dabei bilden Steueroasen, so Zucman, »den Kern der europäischen Krise.« Und der Umfang der im Offshore-Bereich und durch das Bankgeheimnis versteckten Vermögen und der dadurch angerichtete Schaden für die einzelnen Länder ließen sich durchaus beziffern.
Die meisten europäischen Vermögenswerte werden demnach in der Schweiz versteckt. 1800 Milliarden Euro von sogenannten Devisenausländern, davon 200 Milliarden aus Deutschland, lagen 2013 auf Schweizer Konten und werden dank des Bankgeheimnisses nicht besteuert. Zucmann bezieht sich auf Daten der Schweizer Nationalbank und eigene Berechnungen. Beim Abgleich der weltweiten Kapitalaus- und -einfuhren stellte er fest, dass die Vermögensstatistiken einen eklatanten Fehlbetrag aufweisen: Auf 4700 Milliarden Euro nicht versteuerte Vermögenswerte kommt er. Wobei in den Offshore-Finanzplätzen auf den Cayman-Inseln, in Hongkong, Luxemburg und Singapur meist Tochterunternehmen Schweizer Banken tätig sind. Das Bankgeheimnis existiert seit 1935. In den 1920ern setzte die Kapitalflucht in die Alpenrepublik ein, zuerst vor allem aus Frankreich, wo die Spitzensteuersätze teils bei über 70 Prozent lagen. Das Argument, das Bankgeheimnis habe vor allem die Vermögen der vom Nationalsozialismus Verfolgten geschützt, entkräftete laut Zucman bereits eine Untersuchungskommission in den 1990ern.
Nobelpreisträger Paul Krugman bezeichnet Zucmans Studie als »deutlichen Fußabdruck des Untergrundgeldes in offiziellen Statistiken«. Zucmans Doktorvater ist Thomas Piketty, dessen Buch »Das Kapital im 21. Jahrhundert« weltweit für Aufsehen sorgt. Die jungen französischen Ökonomen legen zwar gern den Finger in die Wunde, um Ungleichheiten im Neoliberalismus aufzuzeigen. Keynesianer ist Zucman aber nicht, eher ein Verfechter des freien Marktes. Er lehrt an der »London School of Economics«. »Auf Dauer nutzt der freie Handel der ganzen Welt, und Protektionismus ist zu verbieten«, so Zucman. Im umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP sieht er die Chance, Kapitalflüsse zu kontrollieren.
Dazu nötig wären seiner Meinung nach ein globales Vermögenskataster, eine weltweite Kapitalertragsteuer und politischer Druck auf die Steueroasen. Zur Not könnte sich Zucman auch einen Ausschluss Luxemburgs aus der EU vorstellen. Der Schweiz will er mit Strafzöllen entgangene Steuereinnahmen wieder abnehmen. Außerdem sollten drastische Strafen für Steuersünder erhoben werden. Angesichts der Summen, die der Allgemeinheit gestohlen werden, wäre das vertretbar. Mit den Einnahmen könne die derzeitige Austeritätspolitik in Europa beendet werden.
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