Studie mit vielen Fragezeichen
Eine Befragung zum Betreuungsgeld wird gnadenlos politisch ausgeschlachtet
Der Streit ums Betreuungsgeld hält unvermindert an. Es geht nunmehr um die Aussagefähigkeit einer Untersuchung über die Familienleistung. Am Wochenende wurde eine Studie des Deutschen Jugendinstituts und der TU Dortmund zur umstrittenen Familienleistung publik, die es in sich hatte. Im Ergebnis beinhaltete sie eine zugespitzte Kernthese: Das Betreuungsgeld halte viele Migrantenfamilien und Eltern mit geringer Bildung davon ab, ihre Kinder in die Kita zu schicken. All jene Skeptiker und Kritiker der Familienleistung haben die Veröffentlichung reflexartig zum Anlass genommen, um kein gutes Haar daran zu lassen. Es schien, als hätten sie ein Jahr nach der Einführung der Leistung nur darauf gewartet. Seit August 2013 bekommen Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause behalten und nicht in eine Kita geben, 100 Euro pro Monat.
Selten waren die Kommentare in den Zeitungen so einvernehmlich. Das Betreuungsgeld sei eine kontraproduktive Familienleistung, die bildungsferne Schichten von einer Förderung abhalte. Die Opposition war sowieso einer Meinung und auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung.
Am Dienstag haben die Autoren der Studie aber einen Fehler eingeräumt: Nicht 54 Prozent der Eltern, die keinen Abschluss oder einen Hauptschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss haben, hätten angegeben, wegen des Betreuungsgeldes ihre Kinder länger zu Hause zu behalten, heißt es in einer Erklärung. Sie revidierten ihre Aussage: »Von den Familien, in denen kein Elternteil einen Bildungsabschluss besitzt, stimmten 31 Prozent der Aussage zu, das Betreuungsgeld sei Grund für die Betreuungsentscheidung gewesen; bei einem Hauptschulabschluss sind es 23 Prozent«, heißt es jetzt in der Internetfassung mit Blick auf den Beschluss, die Kinder nicht in eine Kita zu schicken. Bei Familien mit mittlerer Reife reduziert sich dieser Anteil auf 14 Prozent, bei Akademikern gar auf 8 Prozent. Fälschlicherweise seien zwei Elterngruppen addiert worden, gestanden die Autoren ein. Bei der grundsätzlichen Aussage bleibt es aber: Mit steigendem Bildungsniveau der Familien lässt demnach der »monetäre Anreiz« des Betreuungsgeldes nach.
Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz, hält die Studie für problematisch, weil die umfassenden Befragungen bereits im vergangenen Jahr vorgenommen wurden und es dabei vor allem um den Betreuungsbedarf für Kinder unter drei Jahren ging. »In diesem Rahmen wurden die Eltern hypothetisch über das Betreuungsgeld befragt«, erklärte er gegenüber »nd«. Das erachtet er für unseriös.
Sell, selbst ein Kritiker des Betreuungsgeldes, hat auch den Eindruck, als sei versucht worden, den Jahrestag der Einführung des Betreuungsgeldes für eine fundamentale Kritik an der oft titulierten »Herdprämie« auszunutzen.
Das ist offenbar auch geschehen. Die TU Dortmund nimmt nämlich mittlerweile Abstand von der Veröffentlichung eines Teiles der Studie zum Betreuungsbedarf für Kinder unter drei Jahren. »Mit dem Abschlussbericht zu dieser umfangreichen Untersuchung sind wir nicht am Wochenende an die Öffentlichkeit gegangen«, erklärte Matthias Schilling von der TU Dortmund gegenüber »nd«. »Wir wissen auch nicht, wer das noch nicht abschließend geprüfte Manuskript weitergegeben hat.«
Bei der Veröffentlichung handelte es sich laut Schilling um eine »nicht-autorisierte Vorfassung« der Abhandlung, bei der ein Rechenfehler noch nicht korrigiert war. Der umfassende Abschlussbericht der regionalspezifischen Erhebung soll Ende August veröffentlicht werden. Dazu wurden mehr als 100 000 Eltern befragt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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