SMS vom Verfassungsschutz
Immer häufiger orten deutsche Geheimdienste und Behörden die Handys von Verdächtigen
Eine SMS, weiß der Duden, ist ein »Kurznachrichtendienst, über den man Texte auf das Display des Empfängers schicken kann«. Auch deutsche Geheimdienste und Behörden verschicken SMS an Menschen, die sie überwachen. Allerdings bekommt der Empfänger davon nichts mit. Denn Verfassungsschutz, Zoll und Polizei nutzen sogenannte stille SMS. Diese verraten den ungefähren Aufenthaltsort und auch die Identität des Handybesitzers, selbst wenn dieser das Gerät ausgeschaltet hat. So lassen sich auch Bewegungsprofile erstellen. Diese diskrete Form der Überwachung wird bei den Behörden immer beliebter. Allein das Bundesamt für Verfassungsschutz verschickte im ersten Halbjahr 2014 fast 53 000 stille SMS. Das sind fast doppelt so viele wie in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013. Die Zahlen ergeben sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.
Auch beim Bundeskriminalamt (BKA) erfreut sich das klandestine Ortungsverfahren immer größerer Beliebtheit. Zwischen Januar und Juli 2014 wurden 35 000 solcher Überwachungs-SMS versendet. Bei der Bundespolizei gingen rund 69 000 lautlose SMS raus. Beide Behörden kommen somit im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013 auf ein Plus von jeweils 3000 stillen SMS.
Wie viele stille SMS der Zoll verschickte, konnte die LINKE nicht ermitteln. Die Bundesregierung stufte die entsprechenden Angaben als »geheime Verschlusssache« ein.
Insgesamt zählte man bei den Bundesbehörden im ersten Halbjahr mehr als 150 000 stille SMS.
Bei den direkten Abhörmaßnahmen war hingegen keine derartige Steigerung zu verzeichnen. Insgesamt 704 Mal setzte das BKA im ersten Halbjahr auf »Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung«. Im selben Zeitraum des Vorjahrs zählte man 710 solcher Eingriffe. Der Gebrauch sogenannter IMSI-Catcher zum Abhören von Telefongesprächen ging bei BKA, Bundespolizei und Bundesamt für Verfassungsschutz leicht zurück. Nur der Zoll hörte häufiger mit als 2013. Der LINKE-Abgeordnete Andrej Hunko, der die Anfrage gestellt hatte, äußerte sich besorgt über den »ausufernden Versand von Spionage-SMS«. Auf diese Weise würden Mobiltelefone zu einer Ortungswanze, »ohne dass die Betroffenen etwas davon merken«. Besonders fragwürdig sei dies beim Verfassungsschutz. Der Inlandsgeheimdienst sei so zum »elektronischen Spitzelapparat geworden, der vor allem unliebsame politische Bewegungen bekämpft«.
Noch leichtfertiger werden die stillen SMS bei Landesbehörden eingesetzt. Allein in Berlin verschickte die Polizei 2013 mehr als 250 000 dieser Kurznachrichten. Im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen kam man bereits im Jahr 2011 auf diesen Wert. Aber auch in anderen Bundesländern wird eifrig versendet: In Mecklenburg-Vorpommern waren es im letzten Jahr 23 000 stille SMS.
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