Bayerns Modellpolitikerin
Staatskanzleichefin Haderthauer hat Ärger mit Justiz und Steuerfahndung
Sie sind vielfältig, die Etiketten, mit denen die Presse Christine Haderthauer, bayerische CSU-Spitzenpolitikerin und Chefin der Münchner Staatskanzlei, versieht. Derzeit ist von der »Ingolstädter Krawall-Anwältin« die Rede, früher hieß es, sie sei die »Speerspitze« der Partei, die »Favoritin«, aber auch »Seehofers Kalte Kriegerin«; ihr werden »Chuzpe und Charisma« ebenso zugesprochen wie eine »Überdosis Selbstbewusstsein«. Sie selbst produziert schon mal eher ungewöhnliche Überschriften für ihre Aufsätze wie »Enteiert mir die Jungs nicht« und fordert »Gebt den Kindern ihre Eltern zurück!«. Viel sprachliches Dickicht, doch eines ist klar: Der steile politische Aufstieg der 51-jährigen Juristin aus Ingolstadt scheint an einem Scheitelpunkt angekommen zu sein, seitdem die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs gegen die Staatsministerin ermittelt und ihr die Steuerfahndung im Nacken sitzt. Ihre parlamentarische Immunität wurde aufgehoben.
Es ist die Geschichte um einen dreifachen Mörder, der in Sicherungsverwahrung in einer forensischen Abteilung eingesperrt ist und dort für den in der Anstalt tätigen Arzt Hubert Haderthauer hochwertige Modellautos bastelt, die dieser dann über seine Firma Sapot Modelltechnik vertreibt. Christine Haderthauer war in der Firma ihres Mannes tätig. Jetzt hat ein ehemaliger Beteiligter der Firma Anzeige wegen Betrugs erstattet. Ihm seien bei seinem Ausstieg aus der Firma Vermögenswerte vorenthalten worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Opposition erwägt einen Untersuchungsausschuss.
Die Sache wirft einen Schatten auf die ansonsten bisher eher lichte Gestalt der Staatsministerin, Juristin, Mutter von zwei Kindern, Ehefrau. Oder ist sie doch vor allem harte Karrierefrau? Christine Haderthauer spricht jenes kultivierte Bayerisch, wie man es gerne in den Heimatfilmen hört: Hochdeutsch genug, um auch in Berlin verstanden zu werden, bayerisch genug, um in Tegernsee im Bierzelt zu sprechen. Dabei ist sie nicht in Bayern geboren, sondern am 11. November 1962 in Neumünster in Schleswig-Holstein. 1964 zog die Familie nach Bayern, die Kindheit verbrachte das Mädchen in München. Als Viertklässlerin habe sie sich schon mit dem stärksten Jungen der Klasse geprügelt, gab die Presse ihre etwas prahlerische Erinnerung an diese Zeit wieder.
Nach dem Tod ihres Vaters musste die damals 15-Jährige als älteste von drei Schwestern in der Familie Verantwortung mittragen. 1981 macht sie Abitur und studiert danach Rechtswissenschaft in Würzburg, dort heiratet sie 1985 und dort kommt auch ihre Tochter zur Welt, drei Jahre später der Sohn. Sie spezialisiert sich auf Arbeitsrecht und beginnt 1991 als Rechtsanwältin zu arbeiten, 2002 eröffnet sie ihre eigene Kanzlei in Ingolstadt.
Die Stadt an der Donau mit ihren 120 000 Einwohnern wird zum Sprungbrett für die Politikerin Christine Haderthauer. Obwohl wesentlich proletarischer als München und seit Jahrzehnten durch die Autofabrik Audi mit ihren Arbeitern geprägt, ist dort ebenso seit Jahrzehnten die CSU im Rathaus an der Macht. Und Ingolstadt ist die Heimat von Horst Seehofer, CSU-Parteivorsitzender und bayerischer Ministerpräsident. Haderthauer tritt 1984 der CSU bei, ihre politische Karriere beginnt 2002, als sie in den Ingolstädter Stadtrat gewählt wird. Bereits ein Jahr später zieht sie, unterstützt von Seehofer, als Direktkandidatin in den bayerischen Landtag ein. 2007 wird sie Generalsekretärin der CSU und folgt ihrem parteiinternen Rivalen Markus Söder nach. Doch das miserable Abschneiden der Partei bei der Landtagswahl 2008 mit dem Verlust der absoluten Mehrheit bringt Haderthauer den ersten Karriereknick, sie muss das Amt abgeben. »Sommer, Sonne, CSU« hatte einer ihrer Wahlspots gelautet.
Doch Seehofer steht weiter zu ihr und macht sie noch im gleichen Jahr zur Sozialministerin - ein überraschendes Comeback. Das Soziale freilich, wenn es um Arme, Hartz-IV-Betroffene oder Flüchtlinge geht, ist nicht ihr Ding. Massenhaften Asylmissbrauch wirft sie Flüchtlingen vor, bevor sie sich auf Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Erziehungsfragen konzentriert. Seit Oktober 2013 ist Christine Haderthauer Staatsministerin der Staatskanzlei und für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben zuständig.
Für die CSU war Haderthauer genau die richtige Person, um ihr Defizit bei jungen Frauen auszugleichen: eine Politikerin, die erfolgreich Beruf und Familie verbinden kann und die zwei Kinder großgezogen hat, eloquent und telegen. Sie selbst hält sich für eine »Chance für die Partei«. Doch eine Politkarriere in der von Männern beherrschten CSU ist für eine Seiteneinsteigerin und Frau nicht nur ein Spaziergang. Bei vielen gilt sie als »machtbewusst«, manche beurteilen sie als »schnoddrig und kaltschnäuzig«. Die »Süddeutsche Zeitung« kolportiert den Satz: »Wenn sie sich die Lippen nachzieht, ist es, wie wenn ein Soldat sein Gewehr putzt.« Trotz der Karriere sei sie ein Fremdkörper in der Partei geblieben. Vielleicht weil sie nicht die Mutti spielen will, sondern sehr selbstbewusst auftritt. Auch den jetzigen Anfechtungen durch die Opposition und den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen tritt sie im »Kampfmodus« entgegen und teilt fleißig aus: »Die Empörungswelle und Skandalhysterie der letzten Wochen werden nach und nach in sich zusammenbrechen.« Wie lange Horst Seehofer freilich weiter an ihrer Seite steht, bleibt ungewiss.
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