Alarm beim Dorfbäcker
Die Pläne zur Landesentwicklung Bayerns fördern die Zersiedlung, sagen die Kritiker
München. Die Pläne von Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) zur Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Lande befeuern den Streit um die bayerische Landesentwicklung. Der Gemeindetag steht dem Söder-Plan grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. »Es sind Vorschläge, die weiterentwicklungstauglich sind«, sagt der für das Baurecht zuständige Direktor Franz Dirnberger. Grundsätzliche Unterstützung für Söder kommt auch von der CSU-Landtagsfraktion.
Doch Städtetag, Bund Naturschutz und Handwerkstag reagieren ablehnend. »Aus dem Heimatministerium könnte ein Heimatzerstörungsministerium werden«, sagte etwa Richard Mergner vom Bund Naturschutz. Die drei Verbände fürchten eine fortschreitende Zersiedlung Bayerns und eine Schwächung der Unternehmen in den Ortszentren. Söder will unter anderem Gewerbegebiete an Autobahnausfahrten erlauben. Die Vorschriften für interkommunale Gewerbegebiete sollen erleichtert werden. Und außerdem ist geplant, für Hotels und andere Tourismusprojekte das sogenannte Anbindegebot zu lockern, dem zufolge neue Gebäude nicht auf die grüne Wiese gesetzt werden, sondern in die Nähe bestehender Bebauung.
Ein weiterer Punkt: Söder will das System der zentralen Orte erweitern. Gemeinden ohne »zentrale« Funktion dürfen bisher in der Regel keine großen Einkaufsmärkte, Möbelhäuser etc. ansiedeln, die Kundschaft aus dem Umland anziehen könnten.
Mit seinen Plänen will der Finanzminister erklärtermaßen kleineren Gemeinden helfen, finanziell und wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen: »Wenn wir den ländlichen Raum stärken wollen, geht das nicht nur mit Geld aus München, sondern wir müssen den Gemeinden auch die Chance zur Weiterentwicklung geben«, sagte der Nürnberger CSU-Politiker der dpa. »Uns geht es bei dem Landesentwicklungsprogramm um eine sensible und maßvolle Weiterentwicklung. Wir haben Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung.«
Doch derartige Überlegungen stoßen auf eine breite Front des Widerstands. Der Städtetag fürchtet, dass eine Liberalisierung die Entkernung der Dörfer und Kleinstädte beschleunigen würde. »Dies gefährdet Läden, Bäcker, Metzger oder Handwerksbetriebe im eigenen Ortszentrum oder in benachbarten Ortszentren«, sagt Geschäftsführer Buckenhofer.
Ähnlich sieht es der Handwerkstag, der unter anderem um die Zukunft kleinerer Bäcker und Metzger fürchtet. »Damit wird es künftig möglich, ohne jegliche Ortsanbindung gewaltige Einkaufszentren auf der ›grünen Wiese‹ zu errichten«, warnt Heinrich Traublinger, Handwerkspräsident und selbst CSU-Mann.
Der Bund Naturschutz beschuldigt Söder, »einer Amerikanisierung des Landes« Vorschub zu leisten. »Der Schutz der Heimat darf kein Etikettenschwindel sein«, sagte der Landesbeauftragte Mergner. Fortschreitende Zersiedlung bringe höheren Flächenverbrauch, mehr Verkehr und eine höhere Belastung der Umwelt.
Der Gemeindetag dagegen betont in Übereinstimmung mit Söder, dass die Bürgermeister selbst die besten Wächter ihrer Interessen seien. Die Gemeinden seien nicht gegen das Anbindegebot - »selbstverständlich sollte in der Nähe zu bereits bestehenden Gebäuden gebaut werden«, sagt Direktor Dirnberger. »Aber es wird immer irgendwelche Ausnahmen geben, und da ist es besser, die Gemeinden selbst entscheiden zu lassen.«
Der Wirtschaftsexperte der CSU-Landtagsfraktion, Erwin Huber, sieht ebenfalls Potenzial in Söders Vorschlägen, das viele positive Wirkungen entfalten könnte. »Gerade beim Tourismus könnte man eine Entfesselung erwarten«, so Huber. dpa/nd
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