Geschlossene Gesellschaft?

Jürgen Amendt über die soziale Zusammensetzung der Professorenschaft an deutschen Unis

  • Lesedauer: 2 Min.

Mit der Öffnung der Universitäten für nichtakademische Schichten Anfang der 1970er konnten auch in Westdeutschland mehr Arbeiterkinder studieren. Doch zu einer sozialen Egalisierung an den Hochschulen ist es damit längst nicht gekommen. Dies geht aus einer Mitteilung der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Vor allem in den höheren Etagen der Hochschulen bleiben die arrivierten Schichten unter sich. Die Mehrheit der Uni-Professoren entstamme auch heute noch der Ober- und der oberen Mittelschicht, so die Hans-Böckler-Stiftung. Während der Anteil von Studenten mit niedrigem sozialen Status ab 1963 von etwa zehn Prozent bis 1976 auf 18 Prozent kontinuierlich anstieg und sich auch in der Folgezeit erhöhte, stagnierte in den 1980er Jahren der Anteil dieser Herkunftsgruppe unter den Professoren bei 12 Prozent; in den 1990ern sank er gar auf rund 10 Prozent. Die höchste soziale Schicht stellte im Gegenzug vor 30 Jahren 30 und vor zehn Jahren gar 38 Prozent der habilitierten Hochschullehrer. Besonders groß ist die soziale Kluft unter den Juristen (80 Prozent Angehörige aus der Ober- und oberen Mittelschicht) und Medizinern (72 Prozent), wohingegen bei den Ingenieuren sowie Natur- und Geisteswissenschaftlern die soziale Kluft vergleichsweise gering ausgeprägt ist.

Ist die Alma mater also nach wie vor eine geschlossene Gesellschaft, in der sich das gehobene Bürgertum abschottet und seine Pfründe vor den nach sozialem Aufstieg drängenden aus den niederen Ständen mit aller Macht verteidigt? Die Antwort ist schwieriger, als man zunächst annehmen möchte. Sicherlich gehören Professoren zu den Berufsgruppen mit dem höchsten sozialen Ansehen und den besten Verdienstmöglichkeiten. Längst aber haben sich abseits des Universitätssektors Möglichkeiten des beruflichen und sozialen Aufstiegs aufgetan, die denen, die die Hochschule bietet, in nichts nachstehen. Möglicherweise verzichten viele Hochschulabsolventen niederer sozialer Herkunft ganz bewusst auf eine Hochschulkarriere.

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