Gipfel nationaler Eitelkeiten

Bei einem weiteren Ratstreffen soll der Streit über wichtige EU-Posten gelöst werden

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 4 Min.
Die EU-Staats- und Regierungschefs nehmen an diesem Sonnabend in Brüssel einen neuen Anlauf, um die Nachfolge der Außenbeauftragten und des Ratspräsidenten zu klären.

Eine Entscheidung im Poker um die verbliebenen EU-Spitzenämter scheint über den Sommer immerhin gereift zu sein. Wenn sich die 28 Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten am Sonnabend in Brüssel treffen, werden sie allen Verlautbarungen zufolge die Italienerin Federica Mogherini zur neuen Außenbeauftragten der Europäischen Union bestimmen. Daran hängen weitere Personalien, allen voran die Neubesetzung des Ratspräsidenten sowie der weiteren Kommissarsposten. Hierzu sind am Freitag noch keine Vorentscheidungen bekannt gewesen. Nur so viel: Weiterer Streit ist programmiert.

»Es ist ein Gezerre um Balancen und nicht mehr um ein politisches Konzept, das der Rat mitvertreten würde«, sagt Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linksfraktion GUE/NGL im EU-Parlament, gegenüber »nd«. Gemeint ist, dass für die EU-Staatenlenker nicht die gemeinsame Suche nach den Politikern mit der besten Eignung im Vordergrund steht, sondern der Interessenausgleich zwischen allen EU-Staaten - die Balance zwischen Nord und Süd, West und Ost, großen und kleinen Mitgliedsstaaten, politisch linken und rechten Kandidaten sowie männlichen und weiblichen Amtsträgern.

Das wichtigste Teilchen in dem komplizierten europäischen Personalpuzzle liegt bereits: Der christdemokratische Luxemburger Jean-Claude Juncker wird Präsident der neuen EU-Kommission, die am 1. November ihre Arbeit aufnehmen soll. Juncker hat seit seiner Wahl im Europäischen Parlament Mitte Juli Vorschläge der Mitgliedsstaaten für ihren jeweiligen Kommissar entgegen genommen. Jedem Land steht ein Posten in der EU-Institution zu, die über die Einhaltung der Verträge wacht, aber auch wichtige gesetzgeberische Kompetenzen hat. Das führt auch dazu, dass die Ressortzuschnitte von Kommission zu Kommission verschieden sind. In den zwei Amtszeiten des scheidenden Präsidenten José Manuel Barroso etwa wurden drei Länder in die EU aufgenommen, denen dann auch jeweils ein Amt zugestanden werden musste.

Während der begehrte Job der Außenbeauftragten und damit auch einer der Vizepräsidentenposten mit Mogherini so gut wie vergeben ist, besteht über die restliche Besetzung der Kommission weiter Diskussionsbedarf. Noch immer haben nicht alle Länder ihren Kandidaten vorgeschlagen. Andere fordern bereits Ressorts ein. So zeigte sich Günther Oettinger, bisher Energiekommissar, gegenüber dem Onlinemedium Euractiv »offen« für den Bereich Handel. Damit wäre er auch zuständig für die Aushandlung des umstrittenen Freihandelsabkommens mit den USA. Gegen andere Kandidaten wird offen Stimmung gemacht. So versuchen mehrere Länder zu verhindern, dass der französische Ex-Finanzminister Pierre Moscovici neuer Wirtschaftskommissar wird. Rückendeckung erhielt der Politiker der Parti Socialiste nun von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Auch er wird in Brüssel anwesend sein.

Die bisherige Kandidatenliste gibt aber noch weiteren Anlass zur Kritik. »Juncker selbst fordert, dass die Kommission politischer werden muss. Die bisherigen Vorschläge aus den Mitgliedsstaaten lassen aber befürchten, dass doch der bisherige Kurs fortgesetzt wird«, kommentiert Gabi Zimmer den Kandidatenreigen.

Sie kritisiert neben den vielen Technokraten unter den Nominierten auch das Geschlechterverhältnis. Bisher seien nur fünf Frauen von den Mitgliedsstaaten benannt worden. »Das ist viel zu wenig, eine absolute Blamage.« Denn Juncker selbst hatte das Ziel ausgerufen, die Kommission zu mindestens 30 Prozent mit Frauen zu besetzen. Auch die letzte Kommission war schon weiter als der Luxemburger jetzt. Ihr gehörten neun Kommissarinnen an. »Wenn es dabei bleibt und weniger als 30 Prozent Frauen im Tableau von Juncker vertreten sein sollten, werden wir als GUE/NGL diese Kommission auf jeden Fall ablehnen«, so Zimmer mit Blick auf die für Oktober vorgesehenen Anhörungen im EU-Parlament sowie die abschließende Abstimmung durch die EU-Volksvertreter. Die Mehrheit der Europaabgeordneten hatte sich vor der Sommerpause für die 30-Prozent-Quote ausgesprochen.

Bis vor Kurzem war nicht einmal ausgemacht, dass mit Mogherini, die erst seit Ende Februar Außenministerin Italiens ist, eine Frau die Nachfolge der Britin Catherine Ashton antreten wird. Neben der derzeitigen EU-Kommissarin für internationale Hilfe, der Bulgarin Kristalina Georgieva, war auch Polens Außenminister Radoslaw Sikorski im Gespräch. Die osteuropäischen (Nicht-Euro)Länder könnten nun durch Donald Tusk als neuem Ratspräsidenten vertreten werden. Der amtierende Regierungschef Polens, der in dieser Funktion am Brüsseler Treffen teilnehmen wird, hat zwar nach Angaben seiner Sprecherin noch nicht entschieden, ob er als Nachfolger des Belgiers Herman van Rompuy zur Verfügung steht. Doch: »Die letzten Tage haben gezeigt, dass er die Unterstützung vieler europäischer Führer hat«, sagte Regierungssprecherin Malgorzata Kidawa-Blonska am Freitag im polnischen Rundfunk.

Können die Sozialdemokraten im Kreis der Staats- und Regierungschefs Mogherini aber doch nicht durchsetzen, werden sie auf den Posten Van Rompuys pochen. Dann hätte wohl die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Dänemarks, Helle Thorning-Schmidt, gute Chancen auf einen Umzug nach Brüssel. Van Rompuys Amtszeit endet Ende November.

Etwas mehr Zeit bleibt den EU-Staatenlenkern noch, um den nächsten Eurogruppenchef auszuwählen. Diesen könnte Spanien mit dem Wirtschaftsminister Luis de Guindosin Anspruch nehmen. Das stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst in Aussicht.

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