»Sind die groß!«
Wisente beeindrucken Besucher auf Halbinsel im Kölpinsee / Sorge wegen Folgen von Inzucht und Klimawandel
Urplötzlich rast Wisentkuh Dastine auf den Zaun zu - und stoppt gerade noch, bevor ihre Hörner das Holz berühren und durchbrechen. »Sie verteidigt ihr Junges«, erklärt Tierpfleger Günther Arnds. Dastines Kälbchen ist erst wenige Tage alt und sogar innerhalb der Wildrinderherde noch gefährdet. Das Jungtier avanciert nicht nur bei Besuchern im Wisentreservat Damerower Werder bei Waren zum Publikumsliebling. »Das Kalb wird wie auch der Vater Daaks genetisch zu den Very Important Bisons (sehr wichtigen Wisenten) gerechnet«, erläutert der Leiter des Reservates, Fred Zentner.
Bei sommerlichen Temperaturen sind beide Schauplattformen auf der Wisent-Halbinsel zu fast jeder Fütterung voll. »Sind die groß«, staunt der sieben Jahre alte Ben Apel, der mit seinem zweijährigen Bruder und Mutter Sandra durch den Holzzaun hindurchschaut. Nur drei Meter weiter kauen der Riesenbulle Daaks und zwei Kühe an einem Ast mit frischem Grün, den der Tierpfleger gerade hineingeworfen hat. »Toll hier, so dicht kommt man bei uns nicht an die Tiere ran«, freut sich die Mutter, die mit Familie aus Gera in Thüringen in den Nordosten gekommen ist. Auch im Geraer Tierpark werden Wisente gehalten.
Die Tiere auf der 320 Hektar großen Halbinsel im Kölpinsee gehören zu den wichtigsten Genreserven für die zottigen Riesen. Seit 1957 werden die früher fast ausgestorbenen Wildrinder dort gehalten. Das vom Land Mecklenburg-Vorpommern getragene Reservat gehört zu den fünf größten der etwa 70 Wisenthaltungen in Deutschland.
»Es gibt europaweit wieder 5000 Wisente, die aber immer noch als gefährdete Art gelten«, sagt Zentner. Das Problem sei, dass alle Wildrinder von zwölf Tieren abstammen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Erhaltungszucht begründeten. »Damit die Zucht weiter erfolgreich ist, wurden jetzt europaweit viele Tiere neu genetisch untersucht«, erklärt der Fachmann. Die Ergebnisse sollen ausführlich auf einer Wisent-Fachtagung Anfang September im polnischen Walcz vorgestellt werden. Klar sei aber auch, dass der Klimawandel die Wanderung von Insekten nach Norden und damit gefährliche Tierkrankheiten begünstige.
Unterdessen hat Tierpfleger Arnds alle Futtertröge mit Gerstenschrot und Wasser gefüllt. »Das muss angefeuchtet werden, sonst blasen die großen Tiere das Schrot mit ihren großen Nüstern wieder aus dem Trog.« Außerhalb des Sommers werden jährlich 60 Tonnen Rüben, 40 Tonnen Heu und 20 Tonnen Kraftfutter zugefüttert. Als »Leckerli« kaufen die Wisenthüter zwei Tonnen Kastanien auf.
Aus dem Schaugehege hören die Gäste verschiedene Rufe von den Wisenten, die an Brummen oder Grunzen erinnern. »Manches kann man als Drohruf verstehen«, sagt Zentner. Es gebe aber wie bei Hirschen auch Lock- und Siegesrufe, beispielsweise wenn das Kälbchen gerufen werde. »Wenn wir genauer wüssten, was die Tiere meinen, könnte man die Herde noch besser lenken. Solch ein Forschungsprojekt gibt es aber noch nicht«, bedauert der Wisentfachmann. Auch das soll auf der Tagung mit 200 Experten im September besprochen werden. dpa/nd
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