»Brot und Spiele« in dünner Luft

  • Iris Rapoport, Boston und Berlin
  • Lesedauer: 3 Min.

In den frühen Tagen der Luftfahrt, so liest man, wurde opulentes Essen wie heute auf Kreuzfahrten serviert. Die Flugzeuge flogen nicht hoch und nicht schnell, und kulinarisches Entertainment war angesagt. Das hat sich drastisch geändert. Nicht nur durch die Einführung der Economy Class, auch weil unser Geschmack so sensibel ist.

Bei Flughöhen bis 12 Kilometer wird ein Überdruck in der Kabine erzeugt, der etwa dem in 2000 Metern Höhe entspricht. Das reicht, um normal zu atmen, doch nicht, um normal zu schmecken. Zudem entspricht die niedrige Luftfeuchtigkeit Wüsten-Bedingungen. Das erzeugt Durst und trocknet die Schleimhäute, auch die der Nase, schnell aus, was unseren Geruchssinn beeinträchtigt. Da der aber ganz wesentlich das Geschmackserlebnis bestimmt, leidet auch der Geschmack.

Nicht genug damit. Zwar entgehen moderne Flugzeuge meist appetitzügelnden Luftlöchern; das kann jedoch nichts daran ändern, dass in dünner, trockener Luft das Geschehen an unseren Geschmacksknospen kräftig durcheinandergewirbelt wird! Einzig der vor Gefahr warnende Bitter-Geschmack bleibt unverändert. Der Umami-Geschmack, und damit die Fähigkeit, Eiweiße oder dessen Baustein Glutamat wahrzunehmen, ist nur leicht verringert. Doch unsere Rezeptoren für salzig und süß sind stark beeinträchtigt und benötigen beim Flug sehr viel stärkere Reize! So schmeckt normal Gewürztes an Bord meist fad und lasch. Und schließlich nicht zu vergessen: Die Bedingungen für warmes Essen an Bord sind wahrlich nicht gut. Durch die Klimaanlage und das ständige Umwälzen der Luft wird jedes Mahl schnell trocken und kalt.

Was tun? Die einhellige Antwort der Sky-Chefs: viel cremige Sauce! So ist es kein Zufall, dass sich auf Langstreckenflügen oft Boeuf Stroganoff, Hühnerfrikassee oder Vergleichbares in der Assiette befindet. Und es scheint auch kein Zufall, dass Tomatensaft in der Höhe einen geradezu magischen Reiz gewinnt. Tomaten enthalten viel Glutamat. Dessen Würzkraft, gesteigert durch Pfeffer und Salz, beschert plötzlich ganz unerwartete Gaumenfreuden.

Schwierig ist es, dem Ungleichgewicht der Geschmacksqualitäten generell zu begegnen. Natürlich wird stärker gesalzen und gewürzt und oft auch die Oberfläche des Essens mit Käse »versiegelt«. Doch das steigert den Durst und senkt die Bekömmlichkeit, was nicht gerade erstrebenswert ist! Daneben gibt es die kostensparende amerikanische Variante: Vor dem Flug eine freundliche Ansage, sich mit Proviant selbst zu versorgen. Dann verantwortet man letztendlich auch das geschmackliche Missvergnügen ganz allein.

Bei der Economy Class scheinen viele Fluggesellschaften längst diesem Konzept zu folgen. Statt über gesundes und gleichzeitig schmackhaftes Essen nachzudenken, wird zunehmend auf elektronisches statt kulinarisches Entertainment gesetzt, um die immer dichter gestapelten Passagiere bei Laune zu halten.

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