Das Material, aus dem Planeten entstehen
Neue Ergebnisse über Entstehung und Beschaffenheit kosmischen Staubs
Das ständige Staubwischen, - wen stört es nicht? Und nun auch noch Staub im Kosmos? Kosmischer Staub, - das sind winzige Partikel im Raum zwischen den Sternen. Noch vor weniger als 100 Jahren wusste man kaum etwas darüber. Es gab lediglich Vermutungen. Doch dann häuften sich um 1930 Beobachtungsbefunde, die nur eine Deutung zuließen: Der Raum zwischen den Sternen ist keineswegs leer. Vielmehr finden wir dort - wenn auch in geringer Konzentration - sowohl Gase als auch Staubpartikel, kurz: interstellare Materie. Während die Gase in Form von Molekülen, Atomen, Ionen und freien Elektronen vorkommen, besteht der Staub aus extrem kleinen festen Teilchen. Beide zusammen tragen zwar nur mit wenigen Prozent zur Gesamtmasse der Galaxis bei, spielen aber dennoch eine außerordentlich große Rolle für die Evolution von Sternen und Planeten wie auch für die Entstehung des Lebens, da gerade die Staubpartikel als Katalysator bei der Molekülbildung wirken.
Auch für die kosmische Entfernungsskala ist der kosmische Staub von großer Bedeutung, weil er das Licht ferner Objekte durch die sogenannte Extinktion (Absorption, Streuung, Beugung, Reflexion) teilweise verschluckt, aber auch verfärbt, sodass wir zu falschen Distanzangaben kommen, wenn wir den Staub nicht berücksichtigen. Doch dies setzt präzise Kenntnisse über die Verteilung des Staubes in der Galaxis sowie über seine Eigenschaften voraus. Deshalb zermartern sich zahlreiche Forschungsgruppen in aller Welt seit Jahrzehnten die Köpfe über den Staub im Weltall, auch in Deutschland. Eine der Hauptfragen dabei lautet: wie kommt es überhaupt zur Entstehung von kosmischem Staub und wie ist er konkret beschaffen?
»Stardust« (Sternenstaub) war eine Weltraumsonde der US-Raumfahrtagentur NASA, die am 7. Februar 1999 an der Spitze einer Delta-II-Trägerrakete von Cape Canaveral aus ins All flog. Ziel des Unternehmens war, Partikel interstellaren Staubs zu sammeln, die auf Grund früherer Beobachtungen auch im freien Raum zwischen den Planeten unseres Sonnensystems vermutet wurden. Die gesammelten Staubproben sollten dann mit einer Rückkehrkapsel auf der Erde landen und dort untersucht werden.
Bei der Sammlung der Staubpartikel war ein Problem zu lösen: Diese mussten von der etwa sechsfachen Geschwindigkeit einer Gewehrkugel abgebremst werden, ohne dass dabei ihre Struktur oder chemische Zusammensetzung verändert wird. Zu diesem Zweck wurde der etwa tennisschlägergroße Staubkollektor aus einem recht exotischen Material hergestellt: Die Felder des tragenden Metallgitters waren mit sogenanntem Aerogel gefüllt. Das ist ein Silikatmaterial mit so vielen luftgefüllten feinen Poren, dass 99,8 Prozent der Aerogelquader aus Luft bestehen. Anders als bei gewöhnlichem Schaum besteht das Material aus unzähligen nanometergroßen verzweigten Elementen. Aerogele sind exzellente Wärmeisolatoren, chemisch stabil und bieten auch außergewöhnliche optische Eigenschaften.
Der Staubkollektor befand sich in der verschließbaren Rückkehrkapsel, die bei einem Vorbeiflug an der Erde im Januar 2006 knapp 111 000 Kilometer von der Erde entfernt ausgesetzt wurde und wenig später unversehrt am Fallschirm landete. Eine erste Sichtung zeigte die Spuren von 45 Einschlägen. Insgesamt fand man mehr als 150 Partikel. Die meisten davon allerdings entstammen Kometen.
Neben dem Staubkollektor besaß die Sonde eine Navigationskamera, die auch hochauflösende Bilder vom Vorbeiflug am Kometen »Wild 2« lieferte, sowie einen sogenannten Staubflussmonitor.
Die »Stardust«-Sonde wurde in einer Anschlussmission zur Beobachtung des Kometen »Tempel 1« eingesetzt, der ein Jahr zuvor schon Ziel der Sonde »Deep Impact« war. Nach einer letzten Zündung des Triebwerks kreist die Sonde seit 2011 funktionsuntüchtig um die Sonne. StS
Gerade in jüngster Zeit sind nun zwei Forschungsergebnisse veröffentlicht worden, wie sie in ihrem methodischen Ansatz unterschiedlicher nicht sein könnten und die sich dennoch von ihren Resultaten her ergänzen. Einmal kam das Instrumentarium der modernen erdgebundenen Astronomie zum Einsatz, zum anderen ein »Kosmischer Staubsauger«, der in den Tiefen des Sonnensystems unterwegs war.
Doch der Reihe nach: Die Kontroverse, was Supernovae mit kosmischem Staub zu tun haben könnten, währt schon lange. Theoretiker meinten, dass explodierende Sterne, in deren Inneren die schwereren Elemente aufgebaut werden, das Rohmaterial für den Staub produzieren und somit gleichsam eine Quelle für die kleinen Teilchen darstellen. Andere hielten dem entgegen, dass die heißen Gase einer Supernova eher geeignet seien, zuvor bereits vorhandenen Staub zu zerstören.
Dank neuer Beobachtungstechniken für Strahlung im fernen Infrarot - vor allem mit dem Herschel-Weltraumteleskop der Europäischen Raumfahrtagentur ESA und dem Atacama Large Millimeter Array (ALMA) - konnte diese Frage kürzlich entschieden werden. Christa Gall (Universität Aarhus/Dänemark) und ihr Team beobachteten eine Supernova in einer rund 150 Millionen Lichtjahren entfernten Galaxie und suchten nach der typischen thermischen Strahlung von Staub im infraroten Teil des Spektrums. Mit dem »Very Large Telescope« der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile verfolgten sie das Geschehen vom 26. Tag nach dem Ausbruch der Supernova im Jahre 2010 bis zum Tag 868.
Gleich nach der Explosion des Sterns fanden sie Staubkörner in der dichten Hülle des Objekts. Doch reichlich zwei Jahre später war der Staubanteil noch deutlich größer. Es mag durchaus sein, dass auch Staubkörner zerstört worden waren, aber die Neubildung überwog ganz eindeutig. Verglichen mit dem Überrest der Supernova aus dem Jahre 1054 im Krebsnebel war die Menge an Staub allerdings gering: nur 830 Erdmassen. Das macht aber erst recht deutlich, dass die »Staubfabrik Supernova« offensichtlich weiter produziert und beim Krebsnebel in den seit der Explosion vergangenen fast 1000 Jahren ca. 40 Mal soviel Staub erzeugt hat, wie in der jungen Supernova 2010 gefunden wurde. Befunde über die Partikelgröße der Silizium- und Kohlenstoffpartikel zeigten, dass sie mit ca. einem tausendstel Millimeter deutlich größer sind, als erwartet. Das ist wohl auch der Grund, warum sie nicht zerstört wurden. Die Staubbildung erfolgt nach Meinung der beteiligten Wissenschaftler wahrscheinlich schon in der Umgebung der Pränova noch vor der Sternexplosion. Das von dem Stern abgestoßene Material sammelt sich in seiner Umgebung und führt rasch zur Bildung von Staubpartikeln.
Bei der Expansion der Schockwelle nach dem explosiven Ausbruch bildet sich eine kühle und dichte Hülle, in der die Staubkörner weiter wachsen können, wobei auch Material aus der Explosion mit »verarbeitet« wird. Im Orion-Nebel, einem aktiven Sternentstehungsgebiet unserer Galaxis, hat eine Forschergruppe mit dem Green Bank Radioteleskop nun gar Staub von Kieselsteingröße gefunden, offenbar ein Ergebnis der Staubevolution in Richtung Planetesimals, jenen viel größeren Brocken, aus denen dann Planeten entstehen.
Inzwischen hat auch das Team der NASA-Sonde »Stardust« erste Ergebnisse veröffentlicht. Die 1999 gestartete Sonde hatte bereits 2006 winzige Mengen von interstellarem Staub zur Erde gebracht. Nach mühevollen Analysearbeiten sind nun auf 90 Quadratmillimeter einer Aluminiumfolie aus der Sonde elektronenmikroskopisch am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz insgesamt sieben Partikel untersucht worden. Über 30 000 Helfer haben übrigens an den Untersuchungen nach einer genauen Anweisung im Rahmen des Programms »Stardust@home« mitgewirkt.
Die wenigen gefundenen Teilchen zeigten erhebliche Unterschiede in Größe und Zusammensetzung. Sowohl magnesium- und eisenhaltiges Silikat kamen vor, aber auch elementares Eisen sowie Aluminium, Chrom, Mangan und Nickel. Erstaunt waren die Forscher auch über zwei Partikel mit kristalliner Struktur. Nach gängigen Theorien sollten diese durch hochenergetische kosmische Strahlung eigentlich in amorphe Teilchen ohne Struktur umgewandelt werden. Dass es sich - wie manche Medien meldeten - um die erstmalige Analyse von Staub von außerhalb unseres Sonnensystems in einem irdischen Labor handelt, weiß man allerdings noch nicht mit letzter Sicherheit. Die Isotopenzusammensetzung des Sauerstoffs war nämlich bei allen Teilchen dieselbe wie bei Proben aus unserer näheren kosmischen Heimat. Nun steckt allerdings die Auswertung des Stardust-Staubfängers noch in den Anfängen. Forschergruppen aus aller Welt sollen die weiteren Analysen vornehmen. Erst wenn dies geschehen ist, wird man sagen können, ob es im interstellaren Raum neben den »Staubkanonen« Supernova noch weitere Mechanismen der Staubentstehung gibt. Dennoch sind mit den jetzt in »Science« und »Nature« publizierten Erkenntnissen weitere wichtige Teile des Forschungspuzzles Staub zum besseren Verständnis seiner Entstehung und Eigenschaften und seiner Rolle im kosmischen Entwicklungsgeschehen beigebracht worden.
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