»Edison wurde anfangs auch nicht ernstgenommen«
Jeder Autofahrer kennt Fahrbahnschwellen zur Verkehrsberuhigung. Ein englischer Erfinder will die Schwellen zur Rückgewinnung von Energie nutzen
Wahrscheinlich fuhr der englische Ingenieur Peter Hughes vor vielen Jahren mal wieder viel zu schnell über eine Fahrbahnschwelle, stieß sich sogar den Kopf, als ihm - heureka! - die Idee kam, aus dieser Bewegungsenergie Strom zu gewinnen. Nach einigen Jahren liegt nun das Ergebnis vor: Hughes nennt es Power Ramp. Wenn Autos solche Schwellen überfahren, senken sich diese und übertragen die Bewegungsenergie auf eine Zahnradkonstruktion, die über ein Schwungrad einen Generator antreibt, der wiederum Strom erzeugt. »Das ist ganz simpel«, ist Hughes fest überzeugt von seiner Erfindung. »Meine Bodenschwellen beschädigen kein Fahrzeug, verschwenden keinen Kraftstoff und nutzen gratis die Bewegungsenergie.«
Sobald Fahrzeuge über die in der Fahrbahn eingebauten Rampen rollen, senken die sich ab. Durch dieses Absenken wird die Bewegungsenergie der Fahrzeuge auf unterirdisch installierte Zahnräder übertragen, die über eine Welle einen Generator zum Drehen bringen, der schließlich Strom erzeugt. Die Stromausbeute hängt dabei im Wesentlichen von der Höhe der Schwellen ab, ihrem Gewicht und ihrer mechanischen Bauweise.
Die ersten Testanlagen sind so konzipiert, dass die verwendeten Generatoren elektrische Leistungen von zehn bis maximal 36 kW abgeben. Letzteres ist eine Größenordnung, bei der Betreiber einer Photovoltaik-Anlage schon eine Fläche von knapp 350 Quadratmetern mit Modulen beschicken müssten, um die gleiche Leistung zu erreichen. Nach Angaben des Erfinders belaufen sich die Kosten für das kleinste Modell des Power Ramp auf rund 25 000 Euro; größere Modelle sind je nach Verkehrsintensität entsprechend teurer. Schon nach eineinhalb bis dreieinhalb Jahren sollen sich laut Hughes die Investitionskosten durch die Einnahmen bei der Stromeinspeisung bzw. beim Eigenverbrauch amortisieren. Der Hersteller schätzt die Lebensdauer der Mechanik auf mindestens zehn Jahre. In London will man den durch den Verkehr erzeugten Strom für den Betrieb von Straßenlaternen und Ampeln nutzen.
Umsonst oder auch nur erneuerbar ist die Energie aus Hughes’ Erfindung nicht. Denn um Autos in Bewegung zu bringen, muss man - in welcher Form auch immer - Energie tanken. Allerdings, so argumentiert Hughes, wird die vom Auto abgegebene kinetische Energie beim Überfahren der Rampen nicht extra aufgebracht, sondern wird auf der Strecke ohnehin verausgabt. Wer also parken will, der mindert am Ende der Fahrt die Geschwindigkeit sowieso, bevor das Auto abgestellt wird. »Wir haben den Straßenverkehr als ungenutzte Quelle erneuerbarer Energie identifiziert«, frohlockt der Mittsiebziger. »Allerdings müssen die Rampen ein Gefälle von eins bis drei Prozent haben, ansonsten funktioniert das Prinzip nicht«, erklärt der Erfinder aus der Grafschaft Surrey südwestlich von London. Nach seinen Angaben gebe es aktuell viele Interessenten an seiner Erfindung. Besonders Parkplatzbetreiber an Flughäfen, Supermärkten und Akteure aus der Hafenwirtschaft zeigen großes Interesse; Anfragen aus den USA, Kanada und den Niederlanden lägen ihm vor. Potenzielle Kunden möchten allerdings nicht genannt werden.
Und was sagen Tankstellen- und Parkhausbetreiber hierzulande zur ungewöhnlichen Idee von Power Ramp? »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das prickelnd sein kann«, ist die spontane Reaktion von Gerhard Trost-Heutmekers, Geschäftsführer vom Bundesverband Parken in Köln. Von der Stromgewinnung aus Fahrbahnrampen hat er, räumt er ein, »noch nie etwas gehört«. Trost-Heutmekers gibt zu bedenken, dass der Einbau von Schwellen erheblichen Mehraufwand für Parkplatzbetreiber bedeuten würde. »Zudem braucht so eine Konstruktion eine regelmäßige Wartung«, merkt der Geschäftsführer skeptisch an. Allerdings sind die gestiegenen Energiekosten auch für die bundesweiten Mitglieder des Vereins in den letzten Jahren ein großes Thema geworden. So versorgen sich einige Mitglieder durch Installationen von Solaranlagen auf den Dächern ihrer Parkhäuser zum Teil mit eigenem Strom. »Wenn sich die Investition in Power Ramp tatsächlich wirtschaftlich darstellen ließe«, will Trost-Heutmekers nicht gänzlich ausschließen, dass auch diese Variante eines Tages eine realistische Option sein könnte.
Obgleich Hughes und seine Mitstreiter für den Bau von einer Testanlage eine Förderung von der EU erhielten und bereits einige Anlagen in England existieren, zeigt sich die Wissenschaft zumindest in Deutschland derzeit noch ziemlich desinteressiert an deren energiegewinnenden Rampen. »Meines Wissens betreiben wir auf diesem Gebiet keine Forschung«, verrät Aurelia Herrmann-Köck, ihres Zeichens Forschungsbereichsbeauftragte Energie innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Und Michael Niedermeier, beim ADAC für Verkehr und Umwelt zuständig, geht davon aus, dass der Wirkungsgrad zu niedrig und darüber hinaus die Kosten zu hoch seien. Außerdem sei die Energiemenge, die beim Überfahren anfalle, relativ gering. »Als ADAC wollen wir die Erfindung aber nicht kaputtreden«, räumt Niedermeier ein, »aber es müssen Zahlen auf den Tisch, damit wir sehen können, was die Installation tatsächlich leistet und wirtschaftlich bringt.«
So ist es mit den Fahrbahnschwellen ein bisschen so wie mit der Energiewende à la Angela Merkel. Nichts Genaues weiß man nicht. Doch lässt sich Hughes durch die Skepsis der Mehrheit nicht beirren. »Als Thomas Alva Edison seine ersten Erfindungen zur Glühbirne veröffentlichte, haben ihn viele auch nicht ernst genommen, ja, sogar für einen Spinner gehalten«, unternimmt Hughes selbstbewusste Vergleiche mit der Technikgeschichte. Er glaubt fest an eine große Zukunft seiner energieerzeugenden Rampen. Und wer weiß, vielleicht wird seine Konstruktion auf dem zähen Weg hin zu einer Gesellschaft mit 100 Prozent erneuerbarer Energie irgendwann tatsächlich zu einem der noch fehlenden Bausteine. Wie auch immer: Man sollte diese Technologie im Blick behalten, ohne jedoch allzu große Erwartungen zu stellen.
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