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Journalisten haben ein »Wichtigkeitsgen«

Peter Frey, Chefredakteur des ZDF, über die Glaubwürdigkeit des Senders

  • Jakob Buhre und Laura Bähr
  • Lesedauer: 5 Min.
Peter Frey leitete von 2001 bis 2010 das Hauptstadtstudio des ZDF. 2010 folgte er Nikolaus Brender als ZDF-Chefredakteur nach. Die Personalentscheidung war nicht unumstritten, da Unionspolitiker vorher eine Verlängerung des Vertrags mit Brender öffentlich abgelehnt hatten. Frey wurde immer wieder eine Nähe zur CDU attestiert. Ein Vorwurf, den er im Interview mit Jakob Buhre und Laura Bähr vehement zurückweist.

Herr Frey, als Sie das Amt des ZDF-Chefredakteurs antraten, war eines Ihrer ersten Ziele, die Glaubwürdigkeit des Senders wiederherzustellen. Ist Ihnen das gelungen?
Ja, ich denke schon. Was den journalistischen Bereich angeht, ist die Diskussion um die Unabhängigkeit des ZDF aus der Öffentlichkeit verschwunden. Gerade in den Krisensituationen der letzten Monate haben wir bewiesen, dass das ZDF eine erstklassige Adresse für unabhängigen Journalismus in Deutschland ist.

Allerdings hat die Glaubwürdigkeit des ZDF zuletzt gelitten unter den Manipulationen bei der Ranking-Show »Deutschlands Beste«.
Was bei »Deutschland Beste« geschehen ist, wird derzeit im Sender gründlich aufgearbeitet. In der Chefredaktion kümmern wir uns vor allem um die Informationsprogramme und die werden, gerade in Krisenzeiten, auffällig stark wahrgenommen. Es hat keinen Glaubwürdigkeitsverlust gegeben! Ich würde für uns Journalisten allerdings auch nie den Anspruch erheben, gänzlich fehlerlos zu sein - dazu müssen wir oft viel zu schnell sein, sind die Krisen viel zu schwierig und die Situationen, in die unsere Reporter geraten, manchmal auch zu unübersichtlich.

Als Leiter des Hauptstadtstudios sagten Sie einmal, es gehe Ihnen weniger um Ihre eigene politische Meinung, eher würden Sie sich als »Dienstleister« verstehen. Ist dennoch mal die eigene Meinung mit Ihnen durchgegangen?
Ich würde jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass ich zu jedem Zeitpunkt den Maßstäben, die ich mir selbst gesetzt habe, gerecht geworden bin. Aber ich bemühe mich darum. Und als Chefredakteur ist es mir auch sehr wichtig, die Diskussion in meiner Redaktion zu führen, je breiter das Meinungsspektrum, desto besser. Allerdings ist Journalismus auch manchmal ein Rollenspiel, zum Beispiel bei Interviews. Da muss man manchmal zugespitzte Standpunkte vertreten, auch solche, die der eigenen Meinung nicht entsprechen, um aus dem Gegenüber etwas herauszuholen.

Zuletzt gab es Kritik an Ihrem Interview mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Ich hatte in einem »Was nun?«-Interview den Bundesaußenminister gefragt, ob es nicht richtig wäre - wenn man sich jetzt entschlossen hat, Waffen in den Nordirak an die Kurden zu liefern -, auch Waffen in die Ukraine zu schicken. Über diese Fragestellung wurde in Blogs diskutiert. Die Frage erschien mir aber richtig, um den Unterschied klar zu machen. Außerdem: eine Frage ist noch keine Aufforderung. Manchmal muss man in Rollen schlüpfen, um das Gegenüber zu einer Klarstellung zu zwingen.

Würden Sie das auch Oskar Lafontaine entgegnen, der Ihnen einst beim Sommer-Interview 2009 Diffamierung vorwarf?
Oskar Lafontaine gehört zu den empfindlichsten Gesprächspartnern, die ich je hatte. Meine Formulierung im ZDF-Sommerinterview war, dass er in seiner politischen Laufbahn immer wieder »hingeschmissen« hatte. Daran wurde er nicht besonders gerne erinnert. Aber es ist einfach ein Fakt, dass Lafontaine in seiner politischen Karriere sehr häufig verantwortliche Ämter, in die er gewählt wurde, mit Donnerschlag niedergelegt hat. Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, Interviews zu führen, in denen das Gegenüber sich besonders wohlfühlt.

Lafontaine sagte damals, Sie würden »der CDU sehr nahe stehen«.
Was Politiker so alles behaupten, um von sich abzulenken! Sonst lese ich immer, dass ich der SPD nahe stehen würde. Jedenfalls fühle ich mich zwischen den Stühlen ganz wohl und gehöre keiner Partei an.

Gibt es im ZDF noch die Bezeichnung »SED-Nachfolgepartei« für die Linkspartei?
Nur gelegentlich, wenn wir auf historische Zusammenhänge hinweisen wollen. Normalerweise sprechen wir von der Partei »Die Linke« oder von den »Linken«. Wenn ich richtig zähle, hat die Partei sich fünfmal gehäutet, insofern wäre es für Nachrichtensendungen zu lang, immer wieder die ganze Geschichte zu erzählen.

Wie hat sich Ihr Verhältnis zu Politikern verändert?
Wenn man über acht Jahre Leiter des Hauptstadtstudios war und jeden Sonntag einen Spitzenpolitiker interviewt, schleicht sich eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang ein. Man darf aber nicht anfangen zu glauben, dass Kanzler oder Minister zu einem aus persönlichen Gründen kommen. Als Journalist stellt man Druckfläche oder Sendeplätze zur Verfügung, man ermöglicht Öffentlichkeit. Darum geht es, um eine professionelle Rolle.

Und das haben Sie sich immer wieder bewusst gemacht?
Ich habe gelernt, dass in der Nähe zu den Mächtigen auch eine Art von Verlockung und Versuchung liegt. Jürgen Leinemann hat in seinem Buch »Höhenrausch« sehr gut beschrieben, wie er als »Spiegel«-Reporter in einen solchen Höhenrausch geraten ist und den Umgang mit hochkarätigen Politikern geradezu als Droge erlebte. Man darf sich nichts vormachen: Die Nähe zu den Mächtigen, dass man im Fernsehen mit Ihnen gesehen wird, wirkt sich auf das eigene Wichtigkeitsgen aus. Damit kühl umzugehen und davon irgendwann auch Abschied zu nehmen, ist notwendig, aber auch gar nicht so einfach.

Ist diese Sucht nach Politikernähe ein weit verbreitetes Phänomen unter den Hauptstadt-Journalisten?
Ich denke schon. Reden sie mal mit anderen Berliner Korrespondenten. Wer ehrlich ist, wird Ihnen das bestätigen. Man muss schon bekennen: diese Art von Eitelkeit ist kaum einem Politiker und Journalisten auf der Berliner Bühne fremd.

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