Sklavenarbeit in der Neuzeit

200 Millionen Menschen schuften auf Plantagen, um Nahrungsmittel für Dritte zu produzieren und können sich vom Lohn selbst kaum ernähren

Es ist eigentlich paradox: 80 Prozent der Hungernden leben dort, wo die Lebensmittel produziert werden: auf dem Land. Eine neue Studie zeigt die katastrophale Situation von Arbeitern auf Plantagen.

»Ausgerechnet Menschen, die auf Plantagen Nahrungsmittel für unseren täglichen Gebrauch, wie Tee, Zuckerrohr, Bananen oder Palmöl anbauen und ernten, werden so schlecht für ihre Arbeit bezahlt, dass sie sich selber und ihre Familien nicht ernähren können. Das ist ein Skandal«, erklärt Benjamin Luig. Luig ist bei der Nichtregierungsorganisation Misereor Experte für Agrarpolitik und Ernährung. Und er ist einer der vier Autoren einer Studie, die diesen Skandal öffentlich machen will. Misereor steht dabei nicht allein: Die Studie ist ein Gemeinschaftswerk von Misereor, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), ihrem internationalen Dachverband IUF sowie der Menschenrechtsorganisation FIAN.

Pünktlich zum Welternährungstag am 16. Oktober wird die Studie »Harvesting Hunger Plantation Workers and the Right to Food« (Hunger ernten. Plantagenarbeiter und das Recht auf Nahrung) veröffentlicht. Die Studie illustriert die katastrophale Situation von Arbeitern und Arbeiterinnen auf Plantagen zur weltweiten Nahrungsmittelproduktion.

Von verbesserten Arbeitsbedingungen kann dort nicht im Entferntesten die Rede sein. Im Gegenteil: Die Arbeitsbedingungen auf vielen Plantagen haben sich in den letzten Jahrzehnten insbesondere aufgrund eines erheblichen Preisdrucks auf Plantagenkonzerne deutlich verschlechtert, heißt es in der Studie. Die Bezahlung existenzsichernder Löhne sei so in den wichtigsten Teeanbaugebieten weltweit nicht möglich. Eine zentrale Verantwortung liege bei Nahrungsmittelkonzernen und Supermarktketten mit starker Marktmacht, die die Preise auf das niedrigste Niveau drücken, lautet die Argumentation.

Am Beispiel des Teesektors zeigt die Studie auf, wie dies in Plantagenregionen aufgrund der viel zu geringen Löhne zu deutlichen Verletzungen des Rechts auf Nahrung führt. Die chronische Mangelernährung von Kindern unter fünf Jahren liegt in fast allen Kernregionen der Teeproduktion in Sri Lanka, Kenia und Indien bei über 30 Prozent. Einem besonderen Risiko seien Plantagenarbeiter und -arbeiterinnen dort ausgesetzt, wo ganze Produktionsregionen aus dem Markt gedrängt würden, weil sie den Anforderungen des Marktes nicht standhalten könnten. Die Folgen sind dramatisch und reichen bis zu Fällen von Verhungern unter Plantagenarbeiterinnen, wie die Studie belegt.

Für existenzsichernde Löhne im Süden ist der Norden mit verantwortlich. »In der Hungerbekämpfung sollte Minister Müller nicht nur den Schulterschluss mit der Ernährungsindustrie suchen, sondern mit den Gewerkschaften als engem Partner der Entwicklungszusammenarbeit Lösungen finden, die die Situation der Ärmsten der Armen, und das sind PlantagenarbeiterInnen, verbessern. Der Einsatz für existenzsichernde Löhne wäre ein wichtiger erster Schritt dahin«, so Luig.

Auch jenseits der Plantagenökonomie liegt vieles im Argen: »Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt«, kritisiert David Hachfeld von Oxfam. Die Kritik vieler Nichtregierungsorganisationen zielt auf die German Food Partnership (GFP) und die Neue Allianz für Ernährungssicherung, in dessen Rahmen Unternehmen wie BASF, Bayer und Monsanto von Berlin unterstützt werden.

www.misereor.de/themen/hunger/aktuelle-studie.html

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