Ein Wort, ein Ton, ein Tanz

Sandra Kolstad brilliert in Berlin mit ihrem dritten Album

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 3 Min.

Räume. In die wir gehen könnten - wenn uns nur jemand die Tür zeigte. Wenn wir wüssten, wo in diesem großen Haus sie liegen. Sandra Kolstad öffnet ein Zimmer nach dem anderen, wenn sie den Zuhörer mitnimmt, eine Tür nach der anderen aufschließt mit ihren Bewegungen. Und ihren Melodien, die sie mit Händen, Beinen, der Biegung ihres Rückens nachspielt auf der Bühne.

Das Popstück »Rooms« findet sich auf Kolstads drittem Album, »Zero Gravitiy State of Mind«, das gerade erschienen ist. Für die norwegische Künstlerin keine Frage: Das erste Konzert zum Release fand am Donnerstag in ihrer Wahlheimat Berlin statt. Das Urban Spree ist kein großer Veranstaltungssaal, aber seine Bühne hat sich trotzdem verwandelt: mit grünem Kunstefeu und weißen Prismen, die von der Decke hängen. Natur und Technik müssen sich nicht fremd sein, Sandra selbst sieht nach beidem aus: In ihrem Ganzkörperanzug mit Floraldruck ist sie Roboter und Waldkind in einem. Die Mutter zu Hause in der kleinen Stadt am Fjord hat ihn genäht, in Berlin provoziert Kolstad neidische Hipsterblicke damit.

Mechanik ist ein Grundmotiv elektronischer Musik. Repetitiv werden ihre Elemente ineinander verschraubt, steigern sich gegenseitig, werden wieder leise. Ein Motor, der mal schneller und mal langsamer immer weiterläuft. Aber bei Sandra Kolstad ist da noch etwas anderes: etwas Warmes, Wärmendes. Weil ihre Stimme auch ihren experimentellsten Stücken wie »Valerie« Struktur gibt. Sanft führt sie ihre Zuhörer durch die elektronischen Klangwelten, jazzt und björkt sich durch Synthesizer und Rhythmus. Sicher gibt es da auch Anleihen, wie bei 80er- und 90er-Jahre-Pop. Aber wie ein Gast an diesem Abend bemerkt: Das Schöne an Musik aus Skandinavien ist, dass sie immer nur nach sich selbst klingt.

Rotes Licht und Nebelschwaden wabern über die Bühne. »Boum« macht der Bass und die Gäste tanzen, als wäre es die erste Fete ihres Lebens. »Zero Gravity State of Mind« verspricht Kolstad nicht nur mit dem Titel des Albums und der dazugehörigen Single: Bei ihren Live-Konzerten wird dieser eigentümliche Gemütszustand real. Hinter dem so leichthin Inszenierten stecken ernste Gedanken. Kolstad ist eine Popkünstlerin - so eingängig ihre Farb- und Klangwelt aber ist, so kritisch ist sie auch. »Der Kommerz im Musikbusiness kreiert ein bestimmtes Bild, wie Künstler auszusehen haben, besonders weibliche.« Dagegen wehrt sich Kolstad vehement. Auf der Bühne, ihren Bildern und in ihren Videos inszeniert sich die junge Frau als fremdes Fabelwesen, verstörend, manchmal fast hässlich, und genau deshalb so faszinierend. Peinliches Moralisieren wird man in ihren Stücken aber nicht finden. Stattdessen assoziative Wortketten und Sprachräume, die sich dann doch irgendwie um die großen Fragen des Menschseins drehen. Aber ohne die im Popbusiness sonst so hochgepriesene »Story« auskommen. »Musik muss nicht voller Botschaften sein, um politisch zu sein.«

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