LINKE räumt letzte Zweifel aus
Parteitag diskutierte Details der angestrebten Koalitionsverhandlungen für rot-rot-grüne Landesregierung
Während sich die Thüringer SPD am Wochenende nach ihrem schlechten Abschneiden bei der Landtagstagwahlen personell neu formierte, ging die LINKE im Freistaat den nächsten Schritt jenes Weges, der immer beschritten wird, wenn große Veränderungen auch tatsächlich umgesetzt werden sollen: Auf einem Landesparteitag im südwestthüringischen Leimbach diskutierten sie statt großer Grundsatzthemen viele Details der Sachergebnisse aus den Sondierungsgesprächen von LINKE, SPD und Grünen. Anders ausgedrückt: Nach dem Jubel über das gute Wahlergebnis und Debatten über Strategie- und Geschichtsfragen sind die Genossen in Thüringen in den Mühen der Ebene angekommen.
So sprach zum Beispiel die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow zwar am Samstag erneut auch große Fragen an, wenn sie bekräftigte, »der Politikwechsel« im Freistaat stehe »vor der Tür«. Und auch das umstrittene Papier zur DDR als Unrechtsstaat sei richtig. Während der Debatten wiesen aber die meisten Delegierten sowie Gäste der Partei auf inhaltliche Punkte hin, die aus ihrer Sicht für die Gestaltung dieses Politikwechsels in Koalitionsverhandlungen noch zu konkretisieren seien. Beispielsweise mahnte ein Delegierter, die Energiewende »technologieoffener zu denken«. Ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei machte deutlich, es gebe aus Sicht seiner Organisation noch viel Redebedarf zu den rot-rot-grünen Plänen, Polizisten im Land unter bestimmten Einsatzbedingungen mit Hilfe von Nummern zu kennzeichnen. Eine weitere, große Debatte um den rot-rot-grüne Text, in dem es um die Aufarbeitung der DDR-Geschichte geht, blieb dagegen aus.
Zu den Mühen der Ebene gehörte dabei auch, dass Vertreter der Parteiführung viel Zeit darauf verwendeten, auf all die Kritik und Vorbehalte zu reagieren, die dem rot-rot-grünen Experiment in den vergangenen Wochen entgegengeschlagen waren – und zwar offenbar heftiger, als Hennig-Wellsow und auch der Ministerpräsidentenkandidat der LINKEN, Bodo Ramelow, das für möglich gehalten hatten.
Hennig-Wellsow etwa verwendete fast die Hälfte ihrer Redezeit darauf, zum einen der CDU vorzuwerfen, diese habe sich nicht einmal ansatzweise so intensiv mit ihrer DDR-Vergangenheit auseinandergesetzt wie die LINKE. Zum anderen griff sie Medien scharf an, die zuletzt gefragt hatten, ob Abgeordnete der Partei, die Verbindungen zu den Sicherheitsorganen der DDR hatten, nun aus der Fraktion ausgeschlossen würden. Wie Ramelow versicherte sie diesen Parteimitgliedern ihre Solidarität. »Wir lassen uns nicht spalten«, sagte sie. Darüber hinaus wies sie Kritik zurück, rot-rot-grüne Sondierungsversprechen wie zum Beispiel die Einführung eines für Eltern kostenfreien Kita-Jahr im Land seien nicht finanzierbar. »Das ist natürlich falsch.«
Trotz solchen Mutzusprechens passt es daher gut ins Bild dieses Parteitages, dass der Linkspartei-Vizevorsitzende Steffen Dittes bei der Auswertung der Landtagswahl auch selbstkritische Töne fand. Er gab zu bedenken, dass bei aller berechtigten Freude über das Wahlergebnis niemand vergessen dürfe, dass die Partei in Thüringen 2014 in absoluten Zahlen etwa 23 000 Wählerstimmen gegenüber 2009 verloren habe. Dass »für nahezu die Hälfte der Menschen in Thüringen die Wahlbeteiligung keine Form der attraktiven politischen Mitbestimmung ist«, müsse zudem vor allem seine Partei beunruhigen, da sie sich ja nicht als Teil des politischen Mainstreams sehe, sondern von diesem abgrenze und sich als gesellschaftliche Alternative verstehe.
Viel gelöster als auf dem SPD-Parteitag in Erfurt war deshalb die Stimmung auch bei der LINKEN in Leimbach nicht. Die Sozialdemokraten wählten Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein wie erwartet mit einer Zustimmung von fast 90 Prozent der bei dem Entscheid abgegebenen Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzenden. Dagegen straften sie die SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Heike Taubert, bei ihrer Wiederwahl zur stellvertretenden Parteivorsitzenden ab. Sie erhielt nur etwa 65 Prozent Ja-Stimmen.
Bausewein bekräftigte nicht nur seinen Willen zu Rot-Rot-Grün, sondern empfahl seiner Partei auch ganz grundsätzlich, auf Mehrheiten links der Mitte zu setzen – eine Linie, auf die sogar ehemalige sozialdemokratische Kritiker von Rot-Rot-Grün wie Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter einschwenkten. »Es ist an der Zeit, sich aus der babylonischen Gefangenschaft mit der CDU zu befreien«, sagte er.
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