Linken-Aufruf nach Eklat im Bundestag

»Ihr sprecht nicht für uns«: Nach umstrittener Nahost-Veranstaltung und Angriff auf Gysi Ruf nach Konsequenzen / Höger: Das wird instrumentalisiert

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Abgeordnete der Linkspartei aus Bundestag, Landtagen und Europaparlament sowie weitere Politiker der Partei haben sich beschämt und entsetzt über die Aktivitäten der Abgeordneten Inge Höger, Annette Groth und Heike Hänsel sowie von Vorstandsmitglied Claudia Haydt geäußert. In einem Aufruf, der inzwischen über 300 Unterstützer gefunden hat, heiße es mit Blick auf die Vorgänge um eine geplante Veranstaltung mit den beiden Journalisten Max Blumenthal und David Sheen, dies stünde im »klaren Widerspruch zu den programmatischen Grundsätzen unserer Partei«. Die vier Linkenpolitiker »sprechen nicht in unserem Namen. Wir fordern sie auf, daraus Konsequenzen zu ziehen«, so der Aufruf.

Die vier Politiker hatten »gegen den erklärten Willen der Bundestagsfraktion eine Veranstaltung zum Nahost-Konflikt« die beiden Journalisten eingeladen, »die unzulässige Vergleiche Israels mit der deutschen Nazidiktatur und den Terroristen des Islamischen Staats ziehen«. Zudem hatte es einen Tumult vor dem Büro von Linksfraktionschef Gregor Gysi gegeben, dieser war bedrängt und verfolgt worden - bis auf die Toilette. Der »Spiegel« berichtet inzwischen über einen »internen Bericht über die sogenannte Klo-Affäre«, in dem den Organisatoren der umstrittenen Veranstaltung der Vorwurf gemacht wird, falsche Behauptungen aufgestellt zu haben.

»Wir sind entsetzt über den Inhalt der beiden Veranstaltungen«, heißt es in dem »Ihr sprecht nicht für uns«-Aufruf. Man sei »schockiert über den Angriff auf Gregor Gysi und verurteilen die offensichtliche Entsolidarisierung«. Eine schriftliche Erklärung der drei Bundestagsabgeordneten von Dienstag reiche als Entschuldigung nicht aus, heiße es weiter. »Sie kann die Scham vieler Parteimitglieder über ein derartiges Verhalten nicht geringer werden lassen.«

»Wir sind es leid, die Selbstverständlichkeit der Programmlage unserer Partei alle Monate wieder neu gegen Angriffe aus den eigenen Reihen verteidigen zu müssen. Wir sind es leid, infolgedessen immer wieder auch selbst Denunziation, Verleumdung und Entsolidarisierung ausgesetzt zu sein. Wir sind es leid, dass eine sachliche Auseinandersetzung über die Entwicklung im Nahen Osten durch diese Positionierungen unmöglich wird. Und wir sind es leid, dass solche Haltungen und Handlungen offenbar in einer demokratisch-sozialistischen Partei immer wieder folgenlos bleiben, als Petitesse betrachtet werden«, so der Appell.

Die Strömung Antikapitalistische Linke erklärte derweil ihre Solidarität mit Höger, Groth, Haydt und Hänsel. Mit Blick auf den »Ihr sprecht nicht für uns«-Aufruf heißt es, »hier wird ein bedauernswerter Zwischenfall aufgebauscht, verallgemeinert und instrumentalisiert. Das hat eine schädliche Wirkung auf die innerparteiliche Diskussionskultur«. Keine der Äußerungen der beiden jüdischen Journalisten habe antisemitischen Charakter gehabt. »Wir wehren uns ausdrücklich gegen den Versuch, Kritik an der Politik der israelischen Regierung mit Antisemitismus gleichzusetzen und KritikerInnen zu diffamieren und auszugrenzen«, so der Länderrat der Antikapitalistischen Linken. Man fordere den Parteivorstand zudem auf, »sich eindeutig gegen solche Ausgrenzungsversuche zu positionieren«.

Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte Höger über den Aufruf, »das ist ein Akt der Ausgrenzung, der mich erschreckt. Ich sehe überhaupt keinen Grund, Konsequenzen zu ziehen«. Die Attacke auf Gysi im Bundestag werde durch den Aufruf instrumentalisiert. »Ich sehe das als einen Angriff auf die friedenspolitischen Positionen dieser Partei.« nd/mit Agenturen

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.