Kameraschwenk auf Meisterwerke
Das Deutsche Fotomuseum Markkleeberg gewinnt Profil
Die Museumslandschaft in und um Leipzig wird immer reicher. Seit das Dornröschendasein der 1989 als »Kamera-und-Fotomuseum Leipzig Mölkau« etablierten Privatsammlung 2013 mit dem Befreiungsschlag des Umzugs nach Markkleeberg beendet wurde, gibt es die neue Attraktion eines vollgültigen Museums. Im jahrzehntelang als Agra-Gelände bekannten idyllischen Parkareal eine Heimstatt der Dokumentation von Fototechnik und Fotokunst zu schaffen - ein geradezu erlösendes Exempel. Das Projekt macht nun bereits von sich reden. Fotoamateure und Professionals flanieren im lichtdurchfluteten offenen Ambiente des Hauses. Sie entdecken die technische Geschichte des Metiers. Und Musterbeispiele grandios belichteter Papiere fordern zu Vergleich und Nachahmung heraus.
Ja, schade - die öffentliche Hand des Bundes hatte hier in den 90er Gründerjahren der sogenannten neuen Bundesländer mit der Errichtung eines Gebäudes für ein bereits fertig konzipiertes Landwirtschaftsmuseum leider einen Flop gelandet. So originell der Architekt mit dem schönen Namen Seele da für schlappe fünf Millionen DM einen ganz vom Geist des Guggenheim-Museums New York inspirierten Bau hinsetzte - das anvisierte bäuerliche Publikum hatte inzwischen andere Sorgen, als seine Traditionen museal verewigt zu erinnern. Die benachbarten Städter sahen inzwischen den Erholungswert des Parks durch die Querung der hochgelegten Autotrasse der B 2 mitten durch den Park gleich null, und blieben ihm erst einmal weitgehend fern.
Inzwischen gibt es eine S-Bahn, deren Haltestelle Markkleeberg Nord in zehn Minuten vom Leipziger Hauptbahnhof erreichbar ist. Das sogenannte Weiße Haus bietet einige spezielle Attraktionen, und eine Parkgaststätte sorgt für Kulinarisches. Nachdem das Haus von Vater Staat kurzerhand dem Ort Markkleeberg übereignet war, gab es das große Fragezeichen: Was tun damit? Die selbstbewusst ihr Eigendasein am Rand der Großstadt Leipzig bewahrende Kommune wusste: Hier hilft nur eine gewisse Originalität. Etwas, was der große Nachbar partout nicht hat, musste her. Kerstin Langner und Andreas J. Mueller kamen da mit der vom alternativen Fotografen und Kamerahistoriker Peter Langner (1947-1994) überkommenen Sammlung gerade recht. Die beiden ehrgeizigen Foto-Enthusiasten suchten für diese schon lange ein besseres Zuhause als das winzig verwinkelte Mölkauer Fachwerkhaus.
Nun ist es endgültig soweit: Nachdem vor Jahresfrist die im behindertengerecht gleitenden Hochgang erreichbaren drei Etagen mit der historischen Abfolge der Kameraentwicklung und Fotogeschichte installiert waren, geht es nun weiter. Dort zeigen durchsichtige Glasvitrinen Zeugnisse urtümlicher Technik und hoch schwingende Wände Artefakte historischer und zu Kunst hochstilisierter Fotos. Im weiträumiger gewordenen Erdgeschoss lockt dagegen Neues: Fünfzig Meisterwerke einer klassisch gewordenen Fotokunst gerade vergangener Jahrzehnte. Das Kuratorenpaar hat sie von drei potenten Leihgebern ausgesucht: Der Galerie Burkhard Arnold Köln, der Sammlung Frank Wolff und dem Museum Moritzburg Halle Saale.
August Sander, Pionier sächsischer Lichtbildkunst des 19. Jahrhunderts, grüßt schon an der Stirnwand mit einem Tableau seiner besten Fotos. Daneben als Blickfang Franco Fontanas »Prague 1967«, Stimmungsbild vom Vorabend des Prager Frühlings. Wie eine durchaus subjektive Sicht eine objektive Überschau zu vermitteln vermag, dafür sind im anheimelnden Halbdunkel des dahinter neu erschlossenen Raumes überzeugende Beweise da. Verbürgt schon durch so prominente Namen wie Bernd und Hilla Becher oder Man Ray, Thomas Ruff oder Jan Saudek, Elliot Erwitt oder Ilse Bing, Barbara Klemm oder Hermann Foersterling.
Die Überzahl meisterlicher Schwarz-Weiß-Fotos in dieser Auswahl ist kein Zufall. Klingende Namen sind bis in die Gegenwart mit dieser gewissen Abstraktion vom naturalistischen Abbild verbunden. Vermeintliche altmodische Farblosigkeit entpuppt sich oft genug als hypermoderne Sicht. Wie pikant wirkt dann dagegen die ironische Verfremdung in Farbfotos von einer fülligen Trümmer-Venus oder eines mit Zitronenaugen blickenden Jack Lemmon. Dass ein latent lauernder Bildwitz und eine coole Erotik nicht zu kurz kommen, dafür sorgt schon der in Kurator Mueller immer noch schlummernde Karikaturist. Wie lapidar verknappt Greg Gorman einen Andy Warhol oder Arnold Newman einen Igor Strawinsky deuten, das ist schon faszinierend. Auf welche Weise ein Abbild zum künstlerisch geformten Bild wird, zeigt sich eben erst im Reduzieren aufs Wesentliche.
Hat man all das nachdenklich betrachtet, dann tut man gut daran, im linken Seitentrakt des Museums ganz andere Geschehnisse wahrzunehmen: Die Leipziger Montagsdemos vom Herbst 1989 wurden von vielen Teilnehmern unter durchaus gefahrvollen Bedingungen fotografiert. Eine Auswahl dieser Schnappschüsse ist hier zu sehen. Nah dran und selbst dabei engagiert, schufen Laien so authentische Zeugnisse von dem, was da aufbrach und erhebliche Veränderungen herbeiführte - hinterher blasphemisch »Wende« genannt. Das Museum tut gut daran, in politischer Mission diese Fühler ins Heute und Jetzt auszustrecken.
Deutsches Fotomuseum Markkleeberg, Raschwitzer Straße 11: Meisterwerke. Bis 1. März 2015, Di-So 13-18 Uhr
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