Ostukraine: Gefechte überschatten neue Waffenruhe

Kiew bestätigt bislang lediglich Gespräche über Feuerpause in Lugansk und Donezk / EU-Finanzspritze für angeschlagene Wirtschaft / NATO sucht Gesprächskanal zu Moskau

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Ungeachtet neuer Bestrebungen der Konfliktparteien, in Teilen der Ostukraine die Waffenruhe durchzusetzen, werden wieder Kämpfe gemeldet. Ab Donnerstag berät die OSZE-Jahrestagung über Auswege aus der Krise.

Update 16.30 Uhr: Trotz Bemühungen um eine neue Waffenruhe in der Ostukraine haben sich das Militär und die prorussischen Separatisten im Bürgerkriegsgebiet auch am Mittwoch unter heftigen Beschuss genommen. Am zerstörten Flughafen der Großstadt Donezk berichteten die Aufständischen von schweren Gefechten mit Regierungstruppen. Den Behörden in Kiew zufolge wehrte die Armee Angriffe der Separatisten an dem seit Monaten umkämpften Flughafen ab. Auch an anderen Orten in der Ostukraine wurde demnacTh gekämpft. Seit Beginn des Konflikts wurden nach UN-Schätzung mehr als 4300 Menschen getötet.

Verhandlungen über eine konkrete Waffenruhe würden fortgesetzt, sagte der Sprecher des Kiewer Sicherheitsrats, Andrej Lyssenko. »Die Aussichten auf eine Einigung sind gut«, meinte er. Ein Ende der Gespräche sei jedoch noch nicht abzusehen.

Es wurde erwartet, dass der russische Präsident Wladimir Putin bei seiner Rede zur Lage der Nation an diesem Donnerstag in Moskau Stellung zur Situation in der Ostukraine nimmt. Die Führung in Kiew wirft Moskau vor, den Separatisten mit Soldaten und Waffen zu helfen. Der Kreml betont jedoch, sich nicht an dem Konflikt zu beteiligen.

In Kiew nahm Ministerpräsident Arseni Jazenjuk seine neue Regierung in die Pflicht. Jeder Minister solle bis Ende der Woche drei Ziele für 2015 benennen und Wege aufzeigen, wie diese zu erreichen seien, forderte er. In der neuen Regierung sitzen insgesamt drei erst kurz zuvor eingebürgerte Ausländer.

In der von der ukrainischen Regierung kontrollierten Großstadt Charkow brachen vier Lastwagen mit Trümmern des verunglückten Passagierflugzeugs MH17 in Richtung Niederlande auf. Die Maschine war am 17. Juli über der Ostukraine vermutlich von einer Rakete getroffen worden. Alle 298 Menschen an Bord starben, die meisten von ihnen waren Niederländer. Der EU-Staat leitet die Ermittlungen in dem Fall. Kiew und die Separatisten geben sich gegenseitig die Schuld an dem Absturz.

Update 14.30 Uhr: Die EU hat 500 Millionen Euro Budgethilfe an die wirtschaftlich angeschlagene Ukraine überwiesen. Über das Geld könne Kiew frei verfügen, teilte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit. Die Hilfen waren an Reformen gebunden. Dazu gehört die Bekämpfung der Korruption und die Verbesserung der öffentlichen Finanzverwaltung. Das Geld ist Teil eines insgesamt 1,61 Milliarden Euro schweren EU-Hilfspakets. Davon sind 860 Millionen Euro bereits in Tranchen überwiesen worden. »Insgesamt sind 1,36 Milliarden Euro geflossen«, sagte eine Sprecherin der Behörde. »Das ist ein sehr konkretes Signal für die Verpflichtung Europas gegenüber der Ukraine.« Eine noch ausstehende Zahlung von 250 Millionen Euro soll nach ergänzenden Angaben im Frühjahr kommenden Jahres folgen.

Über Kiews vom Staatsbankrott bedrohte Finanzen wacht künftig eine ehemalige Ausländerin. Nicht zuletzt In den schwierigen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vertritt die frühere US-Diplomatin Natalie Jaresko als neue Finanzministerin die Interessen der prowestlichen Führung der Ukraine. Die 1965 in Chicago geborene ausgebildete Verwaltungswissenschaftlerin war erst in dieser Woche durch Präsident Petro Poroschenko für diesen Posten eingebürgert worden.

Die zweifache Mutter galt in Kiewer Medien schon vor ihrer Ernennung als eine der einflussreichsten Ausländerinnen in der Ukraine. 1992, kurz nach der Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion, zog sie für einen Job in der US-Botschaft nach Kiew. Ein Grund für ihre Entsendung - und für ihre Neugier auf das Land - seien ihre ukrainischen Wurzeln gewesen, sagt Jaresko. Ihre Eltern waren nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA ausgewandert.

Die NATO wird vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise einen neuen Gesprächskanal zu Russland suchen. Die Bündnisstaaten beauftragten Generalsekretär Jens Stoltenberg, Möglichkeiten für zusätzliche Kontakte auf Ebene von Militärexperten auszuloten. Es gehe darum, in kritischen Zeiten ein Mindestmaß an Austausch sicherzustellen, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch in Brüssel. Er hatte am Vortag von einem »Zustand der Kontaktlosigkeit« gesprochen und die neue Initiative bei Gesprächen zur Ukraine-Krise vorgeschlagen.

Als Hintergrund der deutschen Bemühungen gelten unter anderem die ungewohnt intensiven Manöver der russischen Streitkräfte im internationalen europäischen Luftraum. Sie werfen immer wieder Fragen auf - auch weil westliche Militärexperten vor Gefahren für den zivilen Luftverkehr warnen.

Ob der neue Gesprächskanal zu Russland wirklich zustande kommt, ist noch offen. Moskau muss einem solchen Vorstoß zustimmen. Absprachen im Vorfeld gab es nach Angaben von Steinmeier nicht. Stoltenberg hatte sich am Dienstag zunächst zurückhaltend geäußert und betont, die politischen Gesprächskanäle seien noch immer offen.

Kämpfe zwischen Separatisten und Regierungstruppen fordern Tote und Verletzte

Donezk. In der umkämpften Ostukraine ist es am geschlossenen Flughafen der Separatistenhochburg Donezk erneut zu Gefechten gekommen. Die Armee habe mit Artillerie massiv Stellungen unter Feuer genommen, teilten die prorussischen Aufständischen am Mittwoch mit. Angaben über Opfer lagen zunächst nicht vor.

Die Separatisten hatten am Dienstag verkündet, sich mit dem Militär auf eine neue Feuerpause am zerstörten Flughafen geeinigt zu haben. Dies bestätigte aber die Führung in Kiew nicht. Auch für eine geplante Waffenruhe im Separatistengebiet Lugansk gab es zunächst keinen Beleg.

Bereits am Montagabend hatte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) darüber informiert, dass beide Seiten für die Region Lugansk »dem Prinzip einer vollständigen Feuerpause an der Frontlinie ab dem 5. Dezember« zugestimmt hätten.

In Kiew bestätigte der Sprecher der so genannten »Anti-Terror-Operation«, Alexej Dmitraschkowski, Kämpfe in Donezk. Er warf den Separatisten vor, Armee-Einheiten angegriffen zu haben.

Der regierungsnahe Militärexperte Dmitri Tymtschuk sagte, die Konfliktparteien hätten sich nur auf den Abtransport von Toten und Verletzten am Flughafen geeinigt - nicht aber auf eine umfassende Feuerpause. Bei Gefechten seien in den vergangenen Tagen in der Region auch vier Russen aufseiten der Aufständischen getötet worden, sagte er. Moskau bestreitet, dass russische Soldaten an Gefechten beteiligt sind.

Dem Sicherheitsrat in Kiew zufolge wird auch an weiteren Orten im Donbass gekämpft. Mindestens fünf Zivilisten seien verletzt worden.

Der Ukrainekonflikt steht am Donnerstag und Freitag auch im Mittelpunkt der Jahrestagung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Dazu kommen in Basel Außenminister und andere Vertreter der 57 OSZE-Mitgliedsstaaten zusammen. Angesagt haben sich unter anderem die Spitzendiplomaten der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Der Schweizer Außenminister und scheidende OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter wird über die Bemühungen der OSZE und ihren Beobachtereinsatz im Ukrainekonflikt berichten. Konkrete Beschlüsse für eine Überwindung der Krise werden nicht erwartet.

Bei der Konferenz erfolgt der Stabwechsel für den OSZE-Vorsitz von der Schweiz an Serbien, das die Organisation vom 1. Januar an für ein Jahr leiten wird. Nach Einschätzung der Schweiz wird sich die humanitäre Lage in der Ukraine in den nächsten Monaten noch zuspitzen. Das Land brauche dringend »einen nachhaltigen Waffenstillstand«, sagte der Schweizer OSZE-Botschafter Thomas Greminger. dpa/nd

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