Historikerin Wilfriede Otto verstorben

  • Günter Benser
  • Lesedauer: 2 Min.

Tapfer ertrug sie die Operationen. Doch dann erlag die Berliner Historikerin Wilfriede Otto der Krankheit. Am 2. Februar endete ein produktives Forscherleben - und für mich eine jahrzehntelange enge Zusammenarbeit. Sie begann, als wir beide - die junge Geschichtsstudentin Wilfriede Klaumünzer und ich - im von Ernst Engelberg geleiteten Institut für deutsche Geschichte der Leipziger Universität als Hilfsassistenten einander gegenüber saßen. Dort lernte sie auch ihren Ehemann Helmut Otto kennen, der sich als Militärhistoriker einen Namen machte.

Unsere Wege trafen sich wieder, als sie ein Jahrzehnt nach mir ans Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in Berlin kam. Ihre Studien fanden vor allem als Zuarbeiten Eingang in Kollektivwerke. So recht zum Zuge kam Wilfriede Otto erst mit dem Umbruch 1989/1990, der auch ein neues Kapitel ostdeutscher Geschichtsschreibung eröffnete. Sie gehörte zu jenen Institutsmitarbeitern, die sich einem kritischen Umgang mit der Geschichte der DDR, aber auch mit der eigenen Rolle als Parteihistoriker stellen wollten. Sie zählte zu den aktivsten und produktivsten Mitarbeitern der Arbeitsgruppe »Opfer des Stalinismus«, die nicht nur schriftliche Quellen hob, sondern enge persönliche Kontakte zu Betroffenen knüpfte, denen Schlimmes widerfahren ist. Diese Erfahrung prägte sie und floss in ihre wissenschaftliche Arbeit ein. Sie publizierte über die Waldheimer Prozesse, zum 17. Juni 1953, zu Ausgrenzungen und Repressionen innerhalb der SED und legte auch eine erste, vielbeachtete Biografie des Täters Erich Mielke vor. Man hat ihr entgegengehalten, dass dies nicht der Blick auf die ganze DDR sein kann. Das ist wohl wahr. Aber auch dieses Feld musste und muss beackert werden, eben auch im Interesse des Ganzen.

Als Mitglied der Rosa Luxemburg Stiftung und der Berliner Landesstiftung der Linken »Helle Panke« sowie der Historischen Kommission der PDS und des Förderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung hat sie sich Diskussionen auch in Einrichtungen und Kreisen gestellt, die von manchen ihrer Kollegen begründet oder unbegründet gemieden wurden. Günter Benser

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.