Feminismus in den Wirtschaftswissenschaften

Die beiden Studentinnen Anja Breljak und Lisa Großmann setzen sich für Feministische Ökonomik an der FU Berlin ein

  • Lesedauer: 3 Min.

Feminismus heißt auch Gesellschaftsanalyse. Ist mit der feministischen Ökonomik der Feminismus nun in der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre angelangt?

Richtig. Erstaunlicherweise hat es etwas länger gedauert. Erst in den 1990er Jahren sind feministische Gedanken und Ideen mit Ökonomie und Wirtschaft zusammengebracht worden. Das ist nicht so selbstverständlich. Natürlich waren feministische Gedanken eigentlich immer auch ökonomisch geprägt, aber dass Ökonomie feministisch geprägt ist, das ist neu.

Was thematisiert diese neue feministische Ausrichtung?

Wir fragen, wie entsteht Theorie, also Theoriebildung. Ein Kritikpunkt ist der homo oeconomicus, das für Modelle wichtige Menschenbild in den Wirtschaftswissenschaften. Die Konstruktion als Nutzenmaximierer - rational, emotionslos, ist eher männlich konnotiert. Damit wird aber die Spaltung in das weiblich-emotionale-kooperative impliziert, was dann nicht der ökonomischen Maxime entspricht. Dies findet sich in konkreten Phänomen wie im Begreifen der Reproduktions-, Sorge- und Pflegearbeit wieder. Sie gelten oft nicht als ökonomische Arbeit, werden zum Teil in wichtigen Statistiken nicht einberechnet, obwohl sie ein wesentlicher Teil der Wertschöpfungskette sind.

Und diese Art von Ökonomie zu hinterfragen, und vor allem in ihren Prämissen zu kritisieren und zu politisieren, ist entscheidend.

Und die Methodik ...

Es gibt auch die Frage, welche Methoden benutzen wir eigentlich, um Dinge zu analysieren. Diese sind in den deutschen Wirtschaftswissenschaften relativ einseitig, ohne sture mathematische Modelle geht gar nichts mehr. Feministische Ökonomik möchte auch eine plurale Sichtweise darauf schaffen.

Ihr habt erst die Sorge- und Pflegearbeit genannt. Ist die sogenannte Care-Economy ein zentraler Aspekt?

Es ist tatsächlich so, dass sehr viele Frauen im Care-Bereich arbeiten. Das sieht man zunächst nicht, wenn man »geschlechtsneutral« über Wirtschaft nachdenkt.

Zudem ist Care-Arbeit ein Feld, in dem es gar nicht möglich ist, das ökonomische Effizienzparadigma anzuwenden, also schneller, besser, billiger. Das führt dazu, dass diese Arbeit einfach immer schlechter wird, nicht nur schlechter bezahlt, sondern die Interaktion mit dem Menschen schlechter abläuft.

Kann die feministische Perspektive auch helfen, die europäische Krise besser zu verstehen?

Die Eurokrise zeigt, dass die orthodoxen Wirtschaftswissenschaften sie nicht unbedingt ganz verstehen können. Es ist ein Phänomen, wo interdisziplinäre Facetten betrachtet werden müssen. Feministische Ökonomik kann als ein Instrument geschlechtsbezogenes Verhalten und Probleme in solchen Krisenzeiten aufzeigen, indem sie normative Herangehensweisen und Theorieansätze hinterfragt. Die Eurokrise in Griechenland führt beispielsweise dazu, dass bestimmte traditionelle Familienverhältnisse wieder reaktualisiert werden, da wohlfahrtsstaatliche Dienstleistungen abgebaut und in die Familie ausgelagert werden. Und diese Strukturen schleifen sich ein und werden ebenso unzureichend thematisiert.

Ihr meint, dass Familien ihre Eltern aus Altenheimen holen, um mit den Renten weiter zu überleben?

Auch. Oft besteht keine Möglichkeit mehr für die Familie, als dass sie diese wieder aufnehmen und für sie sorgen. Und traditionellerweise waren und bleiben dies Frauendomänen.

So werden bestimmte Errungenschaften feministischer Kämpfe quasi zurückgedreht.

Das ganze orthodoxe Programm der Wirtschaftswissenschaften findet in Bezug auf die Eurokrise und die Art und Weise, wie mit den Ländern umgegangen wird, seine praktische Konsequenz. Es ist doch unerträglich, wenn so unglaublich existenzielle Probleme für so viele Menschen nicht anders bearbeitet werden können. Wir glauben, eine feministische Ökonomik ist mit eine Quelle, das zu reflektieren und anders zu bearbeiten.

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