Aus dem Staub gemacht
Sieben Schulen in Marzahn-Hellersdorf standen vor den Osterferien ohne Reinigungsfirma da
»Also erst haben die uns gekündigt und dann wir denen, weil sie die Reinigungsdienste nicht mehr erbracht haben.« Wenn Stadtrat Stephan Richter (SPD), zuständig für Bürgerdienste und Facility Management in Marzahn-Hellersdorf die Geschichte der Reinigungsfirma F. erzählt, dann hat das etwas Schildbürgerhaftes. Der Hintergrund ist jedoch ein ernster. Er zeigt, wie hart der Preiskampf im Reinigungsgewerbe an Berlins Schulen mittlerweile ausgefochten wird. Leittragende sind Schüler und Lehrer, die inmitten von dreckigen Toiletten, stinkenden Mülleimern und schmutzigen Klassenräumen und Schulfluren einen Großteil ihrer Zeit verbringen.
Laut Stadtrat Richter hatte die für sieben Schulen und drei Sportplätze im Bezirk zuständige Reinigungsfirma mit Sitz in Westdeutschland ihren Vertrag mit dem Bezirk am 16. März gekündigt. Begründet habe sie den Schritt mit den sittenwidrigen Verträgen, die der Bezirk von der Firma quasi erzwungen habe, damit sie im Preiskampf der Anbieter bestehen könne. Ganz leugnen kann den Unterbietungswettlauf im Reinigungsgewerbe auch Richter nicht, obwohl »der günstigste Anbieter nicht immer der schlechteste sein muss«.
Als Reaktion auf die nicht mehr erbrachten Reinigungsdienste kündigte der Bezirk eine Woche später am 23. März den Vertrag diesmal von seiner Seite. Nun standen kurz vor den Osterferien die Johann-Julius-Hecker- und Kerschensteiner Sekundarschule, die Paavo-Nurmi-, Selma-Lagerlöf-, Marcana- und Falkengrundschule sowie die Schule am Grünen Stadtrand ohne Reinigungsfirma da. Zur Überbrückung seien in der Woche tageweise andere Reinigungsdienste eingesprungen, sagt Richter. Nach den Ferien soll mittels einer beschränkten Ausschreibung für ein Dreiviertel Jahr eine neue Firma gefunden werden. Der Bezirk will einzelne Unternehmen ansprechen und sich so Zeit für eine bei dem Auftragsvolumen vorgeschriebene europaweite Ausschreibung verschaffen.
Die nun doppelt gekündigte Firma war schon zwei Mal vom Bezirk abgemahnt worden, das erste Mal im November letzten Jahres. Damals hatte die Direktorin der Johann-Julius-Hecker-Schule die Schüler für einen Tag nach Hause geschickt, weil die hygienischen Zustände niemandem länger zugemutet werden konnten. Laut Richter erschienen die Reinigungskräfte damals teilweise gar nicht oder waren nicht mit allen vereinbarten Putzkräften in der Schule. Lehrer nahmen dann selbst die Putzlappen in die Hand. Die Firma war dem Bezirk damals noch unbekannt und erhielt zum ersten Mal einen Auftrag in Marzahn-Hellersdorf.
»Bei Ausschreibungen sollten die Schulen unbedingt besser einbezogen werden«, sagt die bildungspolitische Sprecherin der LINKEN in Marzahn-Hellersdorf, Sarah Fingarow. Es müsse viel mehr darauf geachtet werden, was in den Schulen gebraucht werde. Einige Schulleiter wüssten gar nicht, was in den Verträgen stehe, weil sie sie nie gesehen haben. Die Schulen sind dazu angehalten, Hygienepläne aufzustellen und Mängel zu melden. In der Vergangenheit wurden bereits Leistungsverzeichnisse an Schulen geschickt, so Stadtrat Richter, einige hatten auch Verbesserungsvorschläge zurückgesendet. Bei anstehenden neuen Ausschreibungen für die übrigen 40 Schulen im Bezirk will die Verwaltung diese miteinbeziehen, um Mängel an den Kriterien auszubessern, verspricht Richter.
Durch den Spardruck des Senats, der den Bezirken nahelegt, das günstigste Angebot zu nehmen, entsteht ein enormer Preisdruck. Oft werden Putzleistungen angeboten, die in der Zeit mit dem einkalkulierten Personal gar nicht zu schaffen sind. Skeptisch werden muss der Bezirk spätestens dann, wenn ein Anbieter 20 Prozent günstiger sein will als der nächst günstigere. Im Jahr 2013 hat Marzahn-Hellersdorf über drei Millionen Euro für die Reinigung seiner Schulen ausgegeben und liegt damit im oberen Mittelfeld der Bezirke.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.