Wir dürfen keine SPD 2.0 werden

Über das Sozialdemokratismus-Argument in der Geschichte der Linken, programmatische Unterscheidungsmerkmale und den »Erfurter Korridor« für Linke mit verschiedenen Denkansätzen. Ein Debattenbeitrag

  • Stefan Hartmann
  • Lesedauer: 13 Min.

Ein Argument mit Geschichte

Unzweifelhaft gehört die in der Überschrift genannte Aussage zu den in der LINKEN am weitesten verbreiteten Gemeinsamkeiten. Ob nun aus der PDS oder aus der WASG kommend, ob direkt von der SPD oder aus einer kleineren linken Gruppierung stammend, ob in Gewerkschaften oder dem Jugendverband politisiert - hinsichtlich der Frage, keine »SPD 2.0«, keine »SPD light« usw. werden zu wollen, ist der innerparteiliche Konsens kaum größer zu denken. Und eine solche Gemeinsamkeit oft zu betonen, ist ja genauso notwendig, wie die in unserer plural linken Partei ebenso vorhandenen Differenzen zu thematisieren.

Diese Abgrenzung zur SPD hat sowohl ausreichend viele historische als auch immer wieder aktuelle politische Gründe. Es wäre auch arg verwunderlich, wenn dies anders wäre und gilt darüber hinaus auch für alle anderen Parteien in jeweils spezifischer Art und Weise. Allerdings wird die Abgrenzung zur SPD häufiger thematisiert, als die zu anderen Parteien - vergleichsweise häufig noch zu den Grünen, eher selten zu den Unionsparteien oder zur FDP.

Und es ist nicht zu übersehen, dass diese Gemeinsamkeit dennoch oftmals in der innerparteilichen Auseinandersetzung benutzt wird - in der Hoffnung, den innerparteilichen »Gegner« empfindlich zu treffen und als außerhalb der gemeinsamen programmatischen Grundlagen stehend zu diffamieren. Das Instrument des »Sozialdemokratismus« als Mittel im Kampf gegen Teile der Arbeiterbewegung hat allerdings eine schon längere Geschichte, wie Ulla Plener vor einiger Zeit in einem gut zu lesenden und sachkundigen Aufsatz gezeigt hat (UTOPIE kreativ 3/2004, Belege dort).

In der SED war der »Sozialdemokratismus«-Begriff seit spätestens 10. März 1949 in Benutzung, als nach der 17. PV-Tagung der SED im Bericht des Politbüros ausgeführt wurde: »Der Kampf gegen den Sozialdemokratismus als opportunistische Ideologie in der Arbeiterbewegung wurde ungenügend geführt, die Wachsamkeit gegenüber feindlichen Agenturen (Schumacher-Gruppen usw.) wurde nicht in genügendem Maße entwickelt.«

Während für Lenin der Sozialdemokratismus noch als Begriff zur Bezeichnung einer politischen Strömung der Arbeiterbewegung diente, der die Bolschewiki einschloss (U. Plener), änderte sich das in den zwanziger Jahren. ‚Sozialdemokratismus‘ wurde 1927 von Stalin – im Unterschied zu seinem Gebrauch durch Lenin – negativ als abfällige Charakteristik der gesamten sozialdemokratischen Ideologie und Politik besetzt und als Instrument des Kampfes der Komintern gegen die Sozialdemokratie, die ja schon seit 1924, von G. Sinowjew kreiert, als »Sozialfaschismus« diffamiert wurde, benutzt. Aus Anlaß des 10. Jahrestags der Oktoberrevolution hatte Stalin geschrieben: »Der gegenwärtige Sozialdemokratismus ist eine ideologische Stütze des Kapitalismus... Es ist unmöglich, dem Kapitalismus den Garaus zu machen, ohne dem Sozialdemokratismus in der Arbeiterbewegung den Garaus gemacht zu haben.«

Wer also in der innerparteilichen Auseinandersetzung in dieser oder jener Form das Argument des ‚Sozialdemokratismus‘ benutzt, kann also wissen, in welche Tradition er sich damit stellt. Selbstverständlich ist nun nicht jedem beständig die Geschichte der Arbeiterbewegung gewärtig oder die Geschichte der Sowjetunion, geschweige denn die Protokolle des SED-Parteivorstandes der Anfangsjahre und dies kann auch schwerlich erwartet werden. Daher wäre es nicht fair, entsprechende in der tagespolitischen Erregung geäußerte Anwürfe in der Partei, jemand wolle aus der LINKEN eine »zweite SPD« machen, als stalinistisch zu bezeichnen.

Dort allerdings, wo grundsätzliche Bezüge zur programmatischen Ausrichtung unserer Partei gesucht werden, kann und muss diese Geschichte wenigstens den Grundzügen nach gekannt sein. Denn, so ist es im Erfurter Programm der LINKEN festgehalten, »der Bruch mit dem Stalinismus gilt für DIE LINKE ebenso.«

Als Mitglied des Parteivorstandes, der für die Diskussion und Verabschiedung des Erfurter Programms verantwortlich war als auch als Mitglied einer der beiden Arbeitsgruppen, die die Grundlagen für den Programmtext erarbeitet haben, kann ich festhalten, dass diese Übernahme aus dem PDS-Programm keine lapidare Nebensächlichkeit oder gar ein Unfall war. Vielmehr wurde genau über diesen »Bruch mit den Stalinismus als System« außerordentlich intensiv und gründlich diskutiert. Insbesondere die Fragestellung, ob die Auseinandersetzung mit dem Stalinismus vielleicht nur von ostdeutscher Bedeutung wäre und inwieweit die gesamtdeutsche Linke dafür in »Haftung« genommen werden könne, wurde dabei besprochen.

Am Ende wurde der benannte Konsens im Programm festgehalten und damit selbstverständlich auch die historische Verantwortung, die wir als LINKE geerbt haben. Eine Verantwortung, die mit dem Begriff des »gescheiterten Sozialismusversuchs« nicht vollständig gefasst werden kann und mit der wir uns beständig auseinandersetzen müssen. Im Oktober 2013 wurde dies beispielhaft deutlich, als der Parteivorstand erst nach kontroverser Debatte bei wenigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen den Beschluss zur Anbringung einer Gedenktafel am Liebknecht-Haus in Berlin mit folgendem Text realisierte: »Ehrendes Gedenken an Tausende deutsche Kommunistinnen und Kommunisten, Antifaschistinnen und Antifaschisten, die in der Sowjetunion zwischen den 1930er und 1950er Jahren willkürlich verfolgt, entrechtet, in Straflager deportiert, auf Jahrzehnte verbannt und ermordet wurden.«

Wer über den »Bruch mit dem Stalinismus« und den »gescheiterten Sozialismusversuch« spricht, muss eben auch über Tatsachen sprechen, welche nicht »nur« »biographischen Dellen« nach sich zogen, sondern die zum Tode führen konnte, zum Zerbrechen von Leben, Familien, Biographien. Und es sind ja auch unsere Genossinnen und Genossen, die dem Stalinismus zum Opfer gefallen sind, es sind genauso unsere Leute! In der Auseinandersetzung mit all jenen, die die Idee einer sozialistischen, einer nicht mehr kapitalistischen Gesellschaft grundsätzlich diffamieren wollen, in der Auseinandersetzung mit dem Antikommunismus dürfen wir genau jenen nicht noch Munition liefern, in dem wir da andeuten, dass wir diesen »Bruch« doch nicht so ernst meinen, mit einer Art Augenzwinkern vielleicht. Insbesondere jene, die die Auffassung vertreten, dass die Auseinandersetzung mit dem Stalinismus eine Art trojanisches Pferd sei, um antikommunistische Positionen in der LINKEN zu verankern, liegen auf eine außerordentlich grundsätzliche Weise außerhalb des programmatischen Korridors des »Erfurter Programms«. Es sollte keine zu große intellektuelle Herausforderung sein, die (im übrigen von den ärgsten Gegnern der LINKEN) behauptete Identität des Stalinismus mit dem Sozialismus/Kommunismus als Propagandalüge zu entlarven, das Geschäft unserer Gegner sollte, wenn überhaupt, von diesen selbst erledigt werden.

Konsequent und klar müssen wir zu unserer Geschichte stehen, denn der programmatisch festgehaltene »Bruch mit dem Stalinismus« ist nicht irgendeine Floskel für historische Seminare, sondern Prüfstein unserer Glaubwürdigkeit in der Gegenwart, und für unseren Anspruch, eine andere, menschlichere, bessere Gesellschaft anzustreben. Und solange dieses Ziel nicht nur für uns, sondern auch gesellschaftlich relevant ist, wird unsere Haltung zu unserer Geschichte von Bedeutung bleiben. Seien wir froh darüber!

Eine zweite SPD - bei aller notwendigen Auseinandersetzung mit dem Sozialdemokratismus-Argument - wollen, sollen und dürfen wir aber dennoch nicht werden. Wenn wir das als Konsens festhalten und nicht als innerparteilichen Knüppel benutzen, dann müssen wir darüber reden, was denn den Unterschied der LINKEN zur SPD ausmacht.

Programmatische Unterscheidungsmerkmale

Einige Hinweise dazu gibt selbstverständlich das Erfurter Programm, zunächst einmal hinsichtlich dessen, was wir an der SPD kritisieren. Ausgehend von den gemeinsamen Wurzeln wird die historisch erste Differenz damit begründet, dass die SPD nach 1914 »die Politik der nationalistischen Abgrenzung« befürwortete und »schließlich für den Krieg« stimmte. Die Haltung zur Revolution 1918/19 in Deutschland, die mit Hilfe der sozialdemokratischen Führung niedergeschlagen wurde und die gegensätzlichen Haltung später auch zur Sowjetunion vertieften diese Differenz. Für die Geschichte der Bundesrepublik wird festgehalten, dass die SPD in der Adenauer-Ära in der Opposition war und nach 1959 »Zug um Zug ihre Vorstellungen einer über den Kapitalismus hinausweisenden Neuordnung von Wirtschaft und Gesellschaft« aufgab. Und schließlich wird auch die Schröder-Fischer-Regierung analysiert: »In rasantem Tempo wandten sich SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN von Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und den Interessen der Bevölkerungsmehrheit an einer friedlichen Welt ab. Das «Hartz-IV»- Gesetz und die Agenda 2010 führten zum endgültigen Bruch vieler sozial und links gesinnter Menschen mit SPD und Grünen…«

Die im Erfurter Programm mit unmittelbarem Textbezug zur SPD festgehaltenen Differenzen finden sich also in den Bereichen *der sozialen Gerechtigkeit, *der ökologischen Nachhaltigkeit, *des Einsatzes für eine friedliche Welt und Kampfes gegen Krieg, *des Einsatzes gegen Nationalismus und *des Festhaltens an der Vorstellung einer über den Kapitalismus hinausweisenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. So allgemein diese Differenzen im Programm benannt sind, so klar ist eines: diese Kriterien sind vollkommen selbstverständliche Bestandteile der Arbeit aller Mitglieder der LINKEN.

Es mag sein, dass bei dem einen oder anderen manchmal Formulierungen auftauchen, die fragwürdig sind, zum Beispiel was die Fragestellung betrifft: »Wie hältst du es mit der Nation?« Die einfache und lang bekannte Antwort können an dieser Stelle programmatisch unsichere Menschen unter anderem im »Manifest der Kommunistischen Partei« finden. Dort wurde anschließend an den berühmten Satz »Die Arbeiter haben kein Vaterland« von Marx und Engels ausgeführt, dass es in der Klassenauseinandersetzung, aber bereits schon »mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse« um ein Verschwinden der »nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker« geht. Und mehr noch, mit der Aufhebung der Ausbeutung »des einen Individuums durch das andere« wird auch die Ausbeutung einer Nation durch die andere aufgehoben - so zumindest lautet der Denkanstoß dazu von Marx und Engels. Sicher jedoch ist, dass weder das Programm noch das Manifest in die Position einer Art »Heiligen Schrift« zu heben ist - ‚An allem zu zweifeln‘, wie Marx es sich als Motto wählte, ist eine der LINKEN und den Linken durchaus angemessene Haltung.

In diesem Sinne sind diese hier in einem ersten Schritt aus dem Erfurter Programm destillierten historischen Differenzen zur SPD jedoch keineswegs ausreichend, um identitätsstiftend zu wirken. So schön beispielsweise der Satz ist, dass wir LINKEN für »soziale Gerechtigkeit« sind - so wenig ist er als solcher hinreichend. Unter den in der Bundesrepublik relevanten Parteien gibt es keine, die nicht für sich in Anspruch nehmen würde, für »soziale Gerechtigkeit« zu sein, nicht mal die FDP behauptet von sich, Partei der sozialen Ungerechtigkeit zu sein.

Daher ist es angemessen, genauer zu schauen, was die LINKE im Erfurter Programm als Orientierung für ihr Gerechtigkeitskonzept gewählt hat. Diese Orientierung findet sich zum Abschluss der Präambel: »Wir wollen eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus aufbauen, in der die wechselseitige Anerkennung der Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der solidarischen Entwicklung aller wird.« Auch hier ist die Quelle das Kommunistische Manifest, in dem von einer Gesellschaft gesprochen wird, in der »die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.«

Es wäre sicher spannend, darüber nachzudenken, wieso der Formulierung im Erfurter Programm zwar noch deutlich die Herkunft anzumerken ist, aber dennoch Veränderungen stattgefunden haben. Hier jedoch geht es um etwas anderes. Denn die »wechselseitige Anerkennung der Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen« bildet durchaus ein praktisches und substantielles Unterscheidungsmerkmal zu sozialdemokratischer Politik (bzw. zur Politik der SPD spätestens seit der Schröder-Zeit).

Beispielhaft kann das gezeigt werden insbesondere an der bekannten Hartz-Gesetzgebung oder an der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67. Beide Gesetzeswerke wurden jeweils so begründet, dass ein allgemeines Gut zu schützen sei. In seiner Regierungserklärung am 14. März 2003 sagte der damalige Kanzler Schröder: »Der Umbau des Sozialstaates und seine Erneuerung sind unabweisbar geworden. Dabei geht es nicht darum, ihm den Todesstoß zu geben, sondern ausschließlich darum, die Substanz des Sozialstaates zu erhalten« und weiter hinten »dadurch werden die Gerechtigkeit zwischen den Generationen gesichert und die Fundamente unseres Gemeinwesens gestärkt.«

Am 9. März 2007 führte der damalige Vize-Kanzler Franz Müntefering im Bundestag die folgenden Gründe für die Erhöhung des Renteneintrittsalters an: »Unser Land braucht den Erfahrungsschatz, das Wissen und das Können der älteren Generation, um seine Wohlstandsfähigkeit auch in Zukunft zu behalten« und natürlich »um das System der beitragsgestützten Alterssicherung, der klassischen Rente, zukunftsfest zu machen und so lukrativ wie möglich zu halten.«

Beide Politiker, bekannter Weise beide vormalige SPD-Vorsitzende, führen also sehr hohe, allgemeine Güter an, um ihre Reformen zu begründen: Generationengerechtigkeit, Stärkung der Fundamente des Gemeinwesens, Wohlstandsfähigkeit des Landes. Die Veränderungen seien jeweils notwendig um im ersten Fall die Substanz des Sozialstaates und im zweiten Fall das Rentensystem zu erhalten.

Im Ergebnis - und man bedurfte nicht im Ansatz nostradamische Fähigkeiten - wurden damit Sozialleistungen gekürzt, und zwar nicht in wenigen Einzelfällen, sondern massenhaft.

Und genau an dieser Stelle wird die grundsätzliche Differenz des linken Politikansatzes - »die freie Entwicklung eines jeden usw.usf.« - zur SPD Politik mehr als deutlich. Für Linke, die dem politischen Denken des Erfurter Programms folgen, führt die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen eben nicht zu einer freien Entwicklung aller und ist auch kein irgendwie hinnehmbarer Zwischenschritt. Die Heranziehung eines (vermeintlich oder tatsächlich) höheren Gutes, wie zum Beispiel den Erhalt sozialer Sicherungssysteme als Begründung für Sozialabbau ist für LINKE zumindest programmatisch nicht haltbar.

Allerdings ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es ein großer Fehler wäre, die von diesem Kernsatz ‚der freien Entwicklung eines jeden als die Bedingung für die freie Entwicklung aller‘ ausgehende politische Philosophie des Erfurter Programms nur deshalb oder vor allem deshalb zu erhalten, um eine Differenz zur SPD zu haben. Dies gilt im übrigen für zahlreiche andere Kriterien auch, seien es die Friedensfrage oder die Eigentumsfrage. Ganz grundsätzlich gesehen steht beispielsweise unser Einsatz für eine friedliche Welt, für eine Welt, in der die freie Entwicklung eines jeden ganz selbstverständlich auch in anderen Ländern, als der Bundesrepublik Deutschland möglich ist, nicht zur Disposition. Unser Kampf für den Erhalt und den Ausbau öffentlichen Eigentums oder der Daseinsvorsorge sind ebenso keine Größen, die davon abhängen, welche Position eine andere Partei, egal ob SPD oder CDU oder wer auch immer hat.

Etwas anderes ist es allerdings, wenn die Möglichkeit besteht, unsere programmatischen Vorstellungen auch umzusetzen. Dann werden die Positionen der anderen Parteien durchaus relevant. Und bisher war es schon so, dass die Wahrscheinlichkeit, bei SPD und/oder Grünen auf zu unseren kompatible Vorstellungen, Ideen oder Konzepte zu stoßen, immer größer war, als bei CDU oder FDP. Wäre es ein Makel für LINKE Politik, wenn für diese Mehrheiten zu finden wären? Sicher nicht.

Selbstverständlich kann man das Erfurter Programm hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale zur SPD noch viel umfänglicher analysieren, ich halte Bücher darüber für möglich und angemessen. Als Mitglied einer der beiden Arbeitsgruppen, die den Textvorschlag für das Erfurter Programm erarbeitet haben, ist mir natürlich bewusst, dass - den verschiedenen Ursprüngen und Herkünften der in unserer Partei zusammengekommenen Linken entsprechend - nicht nur eine politische Philosophie in den finalen Textkörper eingeflossen ist. Und das entspricht letztlich auch der Wirklichkeit des Parteilebens.

Das Erfurter Programm beschreibt damit eher einen Korridor für Linke mit verschiedenen Denk- und Handlungsansätzen als eine klassische »Parteilinie«, einen Korridor, der auch für Menschen einen Platz hat, für die sozialdemokratisches Denken und Handeln deutlich vor Schröder, Müntefering oder Gabriel begonnen hat. Die zum Teil schon durch die Sozialdemokratie der 50er, 60er oder 70er Jahre geprägt worden sind und die sich den Veränderungen sozialdemokratischer Politik nicht widerstandslos unterwerfen wollten. Die Leidenschaft, mit der vormalige SPD-Mitglieder oftmals die jetzige SPD-Politik kritisieren, ist daher voll und ganz nachvollziehbar. Und natürlich auch die Fokussierung auf diese Partei, die ja für viele eine Art »alte Heimat« ist.

Für eine selbstbewusste LINKE muss es mit den Jahren allerdings genauso selbstverständlich sein, keine zweite SPD sein zu wollen, wie wir ja auch keine zweite CDU, keine zweite FDP, keine zweiten Grünen werden. Maßstab und Orientierung unseres Handelns sollten andere Parteien nur in zweiter oder dritter Linie sein, zuerst jedoch muss es uns um die Interessen der Menschen in diesem Land und darüber hinaus gehen, die ausgebeutet, unterdrückt, diskriminiert werden. Und das sind genug, das ist nämlich die Mehrheit.

Stefan Hartmann ist Mitglied des geschäftsführenden Parteivorstandes der LINKEN und stellvertretender Landesvorsitzender der LINKEN. Sachsen
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.