Vor den Traumstränden droht der Tod
Wachsende Verzweiflung unter Tausenden Bootsflüchtlingen in Südostasien
Flüchtlingsströme im südöstlichen Asien sind seit Langem ein lukratives Geschäft. Jetzt haben die betroffenen Nationen Malaysia, Indonesien und Thailand zum Gegenschlag angesetzt. Schlepper sind auf der Flucht, auf dem Meer treiben rund 8000 Bootsflüchtlinge, die in keinem Land mehr willkommen sind.
Dies, nachdem allein letzte Woche mehr als 1000 Flüchtlinge aus Bangladesch und Myanmar die malaysischen Langkawi-Inseln erreichten und Thailand im muslimischen Süden unlängst mehrere Massengräber aushob. In einem Grab wurden 26 Leichen entdeckt - die sterblichen Überreste von Flüchtlingen aus Bangladesch und Myanmar, die Schleppersyndikaten Tausende Dollars bezahlten, um Malaysia, Indonesien oder sogar Australien zu erreichen.
Die Gräber lagen in verlassenen Dschungelcamps, wo Schlepper die Männer, Frauen und Kinder festhielten. Von fernen Verwandten sollte noch mehr Geld erpresst werden, sonst blieben die Menschen in den Camps gefangen, wo viele von ihnen mangels Lösegeldzahlung an Hunger und Krankheiten starben oder ermordet wurden. Auch einige der 6000 Flüchtlinge, die derzeit in der Straße von Malakka und nahe gelegenen Gewässern treiben, wurden durch solche Camps geschleust. Jetzt stecken sie auf offenem Meer fest. Einzelne Boote sind seit zwei Monaten ihrem Schicksal überlassen. Ohne Hilfe droht ein Massensterben.
Vor der thailändischen Paradiesinsel Koh Lipe wurde am Donnerstag ein Schiff mit 300 Flüchtlingen gesichtet. Fischerboote reichten den Ausgemergelten Wasser und etwas Essen. Die thailändische Marine machte keine Anstalten, die Verzweifelten zu retten. Bereits Malaysia hat am Mittwoch ein Schiff mit mehr als 500 Flüchtlingen an Bord abgewiesen - eine Praxis, die auch Indonesien nicht fremd ist. Die Schiffe werden mit dem Nötigsten an Trinkwasser, Proviant und Treibstoff versorgt, und dann wieder aufs offene Meer hinaus geschleppt. Nur noch sinkende Boote würden gerettet, sagte Admiral Tan Kok Kwee von Malaysias Küstenwache MMEA. »Wir lassen keine ausländischen Boote herein.« Seetüchtige Schiffe würden mit Proviant ausgestattet und weggeschickt. Sinke ein Schiff, rette man es.
Malaysia hat bislang rund 150 000 Flüchtlinge und Asylbewerber aufgenommen, ein Drittel davon Rohingyas, Angehörige einer von Myanmar verfolgten muslimischen Minorität. Nun sei Schluss. »Wir waren sehr freundlich zu Menschen, die unsere Grenzen verletzten«, sagte Malaysias Vizeinnenminister Wan Junaidi Tuanku Jaafar. »Wir haben sie menschlich behandelt, aber sie können unsere Küsten nicht in dieser Art überfluten. Jetzt ist es an der Zeit, ihnen zu zeigen, dass sie hier nicht willkommen sind.«
Phil Robertson von Human Rights Watch warf Indonesien, Thailand und Malaysia ein »dreiseitiges menschliches Ping-Pong-Spiel« vor. Jahrelang war Menschenhandel stillschweigend geduldet worden, der umso lukrativer war, als über die Netzwerke nicht nur illegale Arbeitskräfte und politisch Vertriebene befördert wurden, sondern auch Waffen, Drogen und Kriminelle. Plötzlich will niemand mehr die Flüchtlinge, die eine Schattenindustrie finanzieren, an der oftmals auch Beamte und Sicherheitskräfte der jeweiligen Länder mitverdienen. In Thailand wurden jetzt zwei Dutzend Schlepper und Helfershelfer verhaftet, darunter lokale Politiker. Das hat gute Gründe. Die EU drohte Bangkok unlängst mit Handelsschlägen, werde nicht resolut gegen Sklaverei auf Fischkuttern vorgegangen, wo oftmals gekaufte Flüchtlinge ohne Lohn schuften.
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