Krisengipfel im Klub der Reichen
Auch nach 40 Jahren fehlt den G7 Legitimation
»Meine Erwartungen sind begrenzt«, sagte der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt dieser Tage mit Blick auf den G7-Gipfel im bayerischen Elmau. Wie könne der auch sinnvoll sein, wenn schon Russland und China fehlten. Aber auch Staaten wie Brasilien oder Südafrika gehörten mit an den Tisch. Grundsätzlich in Frage stellen will Schmidt solche Spitzentreffen aber nicht, er gehört ja zu den Mitbegründern dieses politischen Formats.
Die Weltwirtschaftskrise brachte ihn und den damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing auf die Idee, 1975 zu einem Spitzentreffen der Industrienationen mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt einzuladen. Man wollte die ökonomische Lage nach der großen Öl- und Finanzkrise erörtern und nach Lösungsansätzen für globale Probleme suchen. Ursprünglich sollten nur die Staats- und Regierungschefs der USA, Großbritanniens und Japans zum ersten Gipfel auf Schloss Rambouillet kommen, doch da Italien zutiefst beleidigt auf die Nichteinladung reagierte, wurde die Premiere schließlich zum G6-Kamingespräch.
In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Zusammensetzung des exklusiven Klubs der Reichen und Mächtigen nur wenig verändert. Schon für den zweiten Gipfel 1976 in Puerto Rico drängte Washington auf die Teilnahme Kanadas. Und erst 2002 trug man den weltpolitischen Veränderungen Rechnung und nahm Russland als Vollmitglied auf: »Diese Entscheidung spiegelt die bemerkenswerte wirtschaftliche und demokratische Umgestaltung wider, die sich in Russland in den letzten Jahren, insbesondere unter der Führung von Präsident Putin, vollzogen hat«, hieß es in der Begründung. Im vergangenen Jahr wurden nach den Konflikten um Krim und Ukraine aus den G8 dann wieder die G7.
Diese sieben Staaten repräsentieren rund ein Zehntel der Weltbevölkerung und zwei Drittel des weltweiten Vermögens. Doch sinkt ihr Anteil am globalen Produktionspotenzial angesichts des Aufstiegs von Schwellenländern wie China und Indien. Er betrug im Vorjahr nur noch etwa 45 Prozent. Die G7-Staaten bestreiten heute knapp die Hälfte des Welthandels.
Kritikern dieses informellen Kreises ist die Zusammensetzung letztlich gleich, sie sprechen ihm jenseits völkerrechtlicher Strukturen wie den Vereinten Nationen schlichtweg die Legitimität ab. Zwar sind die Gipfelbeschlüsse nicht rechtlich verbindlich, doch soll mit ihnen schon die Richtung in Weltwirtschaft und -politik vorgegeben werden. So protestierten denn auch seit Mitte der 1980er Jahre immer wieder Zehntausende gegen den Versuch einer elitären Runde, den ärmeren Staaten die eigene Weltsicht zu oktroyieren. Grund genug für die rotierenden Gastgeber, immer abgelegenere abgeschottete Gipfelorte zu suchen.
Die Themenliste für das Wochenende ist lang, selbst mit der FIFA-Korruption soll sich der Gipfel inzwischen beschäftigen, ginge es nach SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann. Doch ist absehbar, dass brandgefährliche Krisen zwischen Syrien und Ukraine einer Lösung schon deshalb nicht näher kommen werden, weil mit Russland ein entscheidender Akteur bei den Beratungen fehlt. Anderes wie das gegenseitige Ausspionieren sorgt zudem für unübersehbare Konflikte zwischen den Gipfelteilnehmern selbst. Bis heute fehlt etwa die geforderte Zusicherung Washingtons, deutsches Recht auf deutschem Boden einzuhalten. Fortschritte erwarten Beobachter in Elmau hier ebenso wenig wie etwa in Sachen islamistischer Terror oder bei der Eindämmung des Flüchtlingselends.
Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel strebt ja ohnehin »weit mehr als akute Krisendiplomatie an«, auch deshalb werden am zweiten Gipfeltag afrikanische Staats- und Regierungschefs erwartet. Mehr Einsatz für ein globales Klimaabkommen, die Stärkung von Frauen in der Wirtschaft, Reduzierung von Antibiotika-Resistenzen, weltweite Umwelt- und Sozialstandards bei der Produktion von Kleidung und Lebensmitteln - man wird sehen, was von Ankündigungen und Versprechen am Ende bleibt. 2005 z.B. wurde im schottischen Gleneagles eine Erhöhung der Entwicklungshilfe verkündet. Doch nach wie vor erfüllt von den in Elmau anwesenden G7-Staaten allein Großbritannien das von den Vereinten Nationen formulierte Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Unterstützung der ärmsten Länder dieser Welt zur Verfügung zu stellen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.