Hände entscheiden über Leben und Tod
Thüringer Projekt untersucht Ursachen von Krankenhausinfektionen und entwickelt Strategien dagegen
Bis zu 15 000 Menschen, sagt Frank Brunkhorst, erkrankten allein in Thüringen pro Jahr an Infektionen, die sie sich in den Krankenhäusern zuziehen. Bis zu 550 Thüringer überlebten dies nicht. Der Mediziner Brunkhorst forscht seit Jahren am Universitätsklinikum Jena zu Infektionskrankheiten und meint, durch etwas so Banales wie die Desinfektion der Hände könnten bis zu 110 dieser Todesfälle vermieden werden.
Michael Lorenz, Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen, ist nicht glücklich über den Begriff »Krankenhausinfektion«. Das erwecke, sagt er, den Eindruck, Krankenhäuser seien schuld an diesen Infektionen. Tatsächlich seien die sie lediglich der Ort, an dem sich Menschen mit solchen Keimen infizierten. Diese gelangten nicht zuletzt durch Menschen von außerhalb, also Patienten oder deren Angehörige, dorthin. Brunkhorst und Lorenz zufolge sind Krankenhausinfektionen vor allem deshalb ein so großes Problem, weil in Krankenhäusern immer ältere, schwächere Patienten zu finden sind, während Keime, die solche Infektionen auslösen, immer aggressiver und widerstandsfähiger werden. Sogenannte multiresistente Keime seien überall auf der Welt auf dem Vormarsch - Krankheitserreger, gegen die Antibiotika nicht mehr helfen. Und unter denen wiederum seien nicht die relativ bekannten MRSA-Keime die wirklich gefährlichen. Vor allem, sagt Brunkhorst, Fäkalbakterien seien die eine, große Gefahr. Anders als MRSA-Bakterien seien sie nicht auf der Haut zu finden, sondern im Darm. »Und den Darm können sie nicht säubern«, sagt er. Deshalb sei diesen Bakterien nicht wirklich beizukommen, was unproblematisch sei, solange Menschen gesund seien. Wenn aber das menschliche Immunsystem geschwächt sei und solche Keime aus dem Darm austreten würden, stellten sie eine oft tödliche Bedrohung dar. Vor allem Reisende trügen Fäkalbakterien in sich, sagt Brunkhorst. Menschen, die in Indien gewesen sei, hätten sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent in sich. Bei Afrika-Reisenden liege die Wahrscheinlichkeit bei 60 Prozent, bei Griechenland- oder Portugal-Reisenden bei 25 Prozent.
Nach Angaben des Mediziners Frank Brunkhorst reicht es nicht, die Hände mit Wasser und Seife zu waschen, um krankheitserregenden Keimen zu begegnen. Man müsse sie mit speziellen, desinfizierenden Lösungen reinigen. Diese müssten mindestens 20 Sekunden auf der Haut verrieben werden. So ließen sich bis zu 100 Prozent der Keime abtöten, beim normalen Händewaschen sind das höchstens 20 Prozent. haa
Hygiene in Krankenhäusern ist ein großes Thema für die Unternehmen, so die Vorstandsvorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen, Gundula Werner. Man sei beständig bestrebt, das Personal daran zu erinnern, wie wichtig es sei, sich die Hände vor und nach jedem Kontakt mit einem Patienten zu desinfizieren. »Ein mühsamer Prozess«. Auch die Patienten, sagt sie, müssten deshalb mithelfen. »Es gibt natürlich eine hohe Hemmschwelle, den Arzt zu fragen, ob er sich die Hände gewaschen hat«, sagt sie. Trotzdem sei es wichtig. Wie wichtig, zeigen erste Erhebungen aus einem Projekt, das zum Ziel hat, das Ausmaß der Krankenhausinfektionen im Freistaat zu ermitteln und die Zahl dieser Infektionen deutlich zu senken. Unter anderem, indem medizinisches Personal und Besucher der Patienten stärker dafür sensibilisiert werden, dass die Desinfektion von Händen Leben rettet. Angesiedelt ist das Projekt am Universitätsklinikum in Jena. Mitmachen sollen ab 2016 alle 36 Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen im Freistaat. Damit, sagt Brunkhorst, werde Thüringen zu einer Modellregion im Kampf gegen Krankenhausinfektionen.
Nach Schulungen und dem Umräumen von Desinfektionsmittelspendern in Patientenzimmer hinein sei es im Universitätsklinikum Jena inzwischen gelungen, dass das medizinische Personal sich in 60 Prozent der Fälle vor einem Patientenkontakt die Hände desinfiziere, sagt Brunkhorst. Wo solche Maßnahmen noch nicht stattgefunden hätten, sei dies nur bei jedem fünften Kontakt erfolgt.
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