Kanzleramt mit langer Leitung
Regierungszentrale wusste offenbar seit Beginn der Merkel-Ära von NSA-Aufträgen
Berlin. Abhören unter Freunden, das geht gar nicht - wie wir von Angela Merkel wissen. Vom Missbrauch ihres Kanzlerinnen-Handys durch den US-Geheimdienst NSA ist sie um so mehr enttäuscht, weil sie sich noch gern daran erinnert, wie sie vor 25 Jahren als Vizesprecherin der letzten DDR-Regierung mit ihrem ersten Handy die deutsche Einheit herbeitelefonierte.
Inzwischen sind die Kommunikationsgeräte viel kleiner geworden, die damit zusammenhängenden Probleme dagegen viel größer. Und sie rücken immer näher an Merkel heran. Das Kanzleramt wusste offenbar schon seit 2006, also fast seit Beginn von Merkels Kanzlerschaft, von den Begehrlichkeiten der NSA gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Schon damals hätten US-Geheimdienstler den deutschen Kollegen zahlreiche Beobachtungsziele vorgegeben, darunter möglicherweise der Rüstungskonzern EADS. Das sagte am Freitag Ernst Uhrlau vor dem NSA-BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Kaum jemand kann es besser wissen als er - Uhrlau arbeitete jahrelang im Kanzleramt und später an der BND-Spitze.
Angesichts dieser Aussage erklärte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz, Kanzleramt und BND seien seit vielen Jahren »bösgläubig« gegenüber den »Übergriffigkeiten der NSA«. Der Bundeskanzlerin warf er »sehr, sehr fahrlässiges Verhalten« vor.
Die Ermittlungen wegen der Ausforschung von Merkels Handy wurden jetzt eingestellt, wie am Freitag die Bundesanwaltschaft mitteilte. Die Behördenauskünfte hätten nicht ausgereicht, den Vorwurf zu beweisen. Ein Rechtshilfeersuchen in den USA wurde gar nicht erst gestellt, weil es »von vornherein nicht erfolgversprechend gewesen wäre«, so Generalbundesanwalt Range. Rechtshilfe unter Freunden - das geht offenbar auch gar nicht. wh Seite 4
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