Opposition in Venezuela läuft ins Leere

Die Kampagne der Regierungsgegner verfängt trotz Wirtschaftskrise nicht

  • Andreas Behn, Caracas
  • Lesedauer: 4 Min.
Die radikale Opposition in Venezuela setzt auf Hungerstreik und internationale Medienpräsenz. Der Zulauf ist begrenzt und zwischen den USA und Venezuela zeichnet sich eine Entspannung ab.

Der Hungerstreik von Oppositionellen erregt die Gemüter in Venezuela. Mittlerweile verweigern nach Angaben der oppositionsnahen Zeitung »El Nacional« vom 15. Juni fast hundert Menschen die Nahrungsaufnahme, unter ihnen vier Inhaftierte und über 90 Unterstützer in rund 15 Städten des Landes.

Den Anfang hatte Ende Mai der Rechtspolitiker Leopoldo López gemacht, der seit über einem Jahr in dem Militärgefängnis Ramo Verde nahe der Hauptstadt Caracas einsitzt. In einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Video forderte er die »Freilassung aller politischen Gefangenen«, die er auf insgesamt 70 bezifferte. Zudem werde er so lange hungern, bis ein konkretes Datum für die Parlamentswahlen, die für Ende des Jahres geplant sind, genannt worden sei. Die Staatsanwaltschaft macht López für die Anstachlung zu gewalttätigen Demonstrationen Anfang 2014 verantwortlich, bei denen im ganzen Land über 40 Menschen, unter ihnen mehrere Polizisten und Unbeteiligte, getötet wurden. Hunderte wurden festgenommen, unter ihnen einige führende Politiker der Opposition, denen die Regierung nicht nur Beteiligung an den Ausschreitungen, sondern teilweise auch die Verstrickung in Putschpläne vorwirft. Zu diesen zählt auch der ehemalige Bürgermeister der Stadt San Cristóbal im Westen Venezuelas, Daniel Ceballos, der den Hungerstreik zusammen mit López initiierte, aber aus gesundheitlichen Gründen bereits vergangene Woche abbrach.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad Al Hussein, forderte am Montag die »sofortige und bedingungslose Entlassung« von López und weiterer Inhaftierter. Er sei ernsthaft wegen der Haftbedingungen besorgt, so Hussein zum Auftakt einer Sitzung des UNO-Menschenrechtsrates. Zudem monierte er, dass die Politiker und Aktivisten festgenommen worden seien, obwohl sie nur ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausgeübt hätten. Ähnlich haben sich mehrere Menschenrechtsorganisationen geäußert. Zudem forderten mehrere lateinamerikanische Ex-Präsidenten die Freilassung der Inhaftierten und reisten auf Einladung der Ehefrauen nach Venezuela.

Auch aus Europa erhält die Opposition Unterstützung. Zuletzt reiste Anfang Juni Spaniens ehemaliger Ministerpräsident Felipe González nach Caracas, ohne jedoch zu den Gefangenen vorgelassen zu werden. Präsident Nicolás Maduro kritisierte die medienwirksame Kampagne mehrfach als »Einmischung in die inneren Angelegenheiten«. López und Ceballos gehören zum radikalen Flügel der Opposition, der nicht auf Veränderungen durch Wahlen, sondern auf einen Sturz der Regierung durch Druck auf der Straße setzt. Ihre Unterstützer haben in mehreren Städten in den wohlhabenden Stadtteilen vor Kirchen oder in Universitäten kleine Lager errichtet, wo einige Aktivisten ebenfalls die Nahrungsaufnahme verweigern. Vor den Lagerstädten kommt es immer wieder zu Wortgefechten zwischen Gegnern und Anhängern der chavistischen Regierung. In Trujillo gaben die Unterstützer an, sie seien von Unbekannten mit Molotow-Cocktails angegriffen worden.

In Tachira sollen einige Hungerstreikende am vergangenen Wochenende durch gespendetes Wasser vergiftet worden sein. Für Oscar Schémel, den Direktor des Meinungsforschungsinstituts Hinterlaces in Caracas, mangelt es der radikalen Opposition in Venezuela trotz der eindrucksvollen Medienarbeit an sozialer Basis. »Es sind kleine Gruppen, die zwar viel Aufmerksamkeit erregen, aber keine soziale Bewegung ausmachen und auch fast nur in der Oberschicht Unterstützung finden«, erklärte Schémel gegenüber dem »nd«. Die große Mehrheit der Venezolaner sei derzeit unzufrieden, vor allem wegen der Versorgungsengpässe und einer Regierung, die mit den wirtschaftlichen Problemen überfordert zu sein scheint. Viele von ihnen wollen dem Meinungsforscher zufolge aber keinen Machtwechsel, da sie mehr Vertrauen in das Projekt des Chavismus haben als in die konservative Opposition, die weder im Ökonomischen noch in der Politik konkrete Alternativen anbietet. »Und die Mehrheit der Regierungskritiker bevorzugt eindeutig die gemäßigten Oppositionsführer wie beispielsweise Henri Falcón, den Gouverneur des Bundesstaates Lara, der eher auf einen Ausgleich der polarisierten Fronten setzt«, so Schémel. Die Venezolaner wüssten, dass Veränderungen in Venezuela nur mit dem Chavismus, aber nicht gegen ihn durchzusetzen seien.

Unterdessen zeichnet sich in dem seit Jahren belasteten Verhältnis zwischen den USA und Venezuela zeichnet eine Entspannung ab. Das State Department bezeichnete am Montag in Washington ein Treffen zwischen dem venezolanischen Parlamentspräsidenten Diosdado Cabello und dem Berater des US-Außenministeriums, Thomas Shannon, als »positiv und produktiv«. Die Gespräche am Samstag in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince »berührten alle Aspekte unseres bilateralen Verhältnisses«, erklärte Ministeriumssprecher Jeff Rathke. Auch die venezolanische Außenministerin Delcy Rodríguez hatte teilgenommen.

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