Gemeinsame Sache mit der NPD
CDU-Stadträte in Eisenach stimmten offenbar für Antrag der Nazis
Die Stadtratsfraktion der rechtsextremen NPD im thüringischen Eisenach ist nur relativ knapp mit einem Antrag auf Abwahl der dortigen Oberbürgermeisterin Katja Wolf (LINKE) gescheitert. Für den NPD-Antrag stimmten am Montagabend 16 Stadträte. Die NPD verfügt in dem Rat der kreisfreien Stadt aber nur über drei Mandate. Vertreter vor allem von LINKE und SPD in Thüringen vermuten daher, dass mindestens ein Großteil, wenn nicht sogar alle Unions-Vertreter im Eisenacher Stadtrat für den Antrag der Rechtsextremen stimmten. Auch Vertreter der Landes-CDU zeigen sich bestürzt über das Abstimmungsergebnis. Einen vergleichbaren Vorfall hat es in Thüringen bislang noch nicht gegeben. Gegen den NPD-Antrag hatten 17 Ratsmitglieder gestimmt, es gab eine Enthaltung.
Der Landesgeschäftsführer der SPD in Thüringen, René Lindenberg, forderte den Vorsitzenden der CDU-Stadtratsfraktion in Eisenach, Raymond Walk, am Dienstag angesichts dieses Abstimmungsergebnisses auf, von seiner Funktion zurückzutreten und auch aus der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag auszuscheiden, der er seit Herbst 2014 angehört: »Wer sich mit Rechtsextremen gemein macht, der ist tatsächlich parlamentsunwürdig. Herr Walk hat der Demokratie einen schweren Schaden zugefügt.«
Die Vorsitzende der Thüringer LINKEN, Susanne Hennig-Wellsow, hatte noch am Montagabend per Twitter verbreitet, die Thüringer Union habe sich mit der Zustimmung zum Antrag der NPD »völlig entblödet«. »Wer sich mit Nazis gemein macht, hat nur Eigenes im Sinn, aber nicht Demokratie«, schrieb sie. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) zeigte sich im Gespräch mit dem MDR »irritiert« und »schockiert«, dass der NPD-Antrag so große Zustimmung erfahren habe. Es sei bisher immer Konsens gewesen, dass demokratische Parteien die Anträge von Rechtsextremen ablehnten. Es könne nicht sein, dass Demokraten beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gemeinsam ein NPD-Verbotsverfahren auf den Weg gebracht hätten und einige Mitglieder demokratischer Parteien dann im Geheimen mit den Rechtsextremen kooperierten.
Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass mindestens einige CDU-Stadträte für den Antrag der NPD stimmten, auch wenn sich diese Vermutung niemals wird beweisen lassen. Über das Abwahlansinnen war geheim abgestimmt worden. Wolf war 2012 nur mit knapper Mehrheit zur Oberbürgermeisterin der Wartburgstadt gewählt worden. Seit ihrem Amtsantritt gilt das Verhältnis der 39-Jährigen zur örtlichen CDU als angespannt. Allerdings müssen neben CDU-Mandatsträgern auch mindestens zwei weitere Mitglieder des Eisenacher Stadtrates mit der NPD gestimmt haben - andernfalls hätte der Antrag keine 16 Ja-Stimmen erhalten können. NPD und CDU kommen im dem Gremium zusammen nur auf 14 Stimmen. Haben nicht alle CDU-Leute gegen Wolf gestimmt, müssten sogar noch mehr andere Mitglieder des Stadtrates dem NPD-Antrag gefolgt sein. Die CDU ist in dem Gremium mit elf, die LINKE mit zehn Stimmen, die SPD mit vier, die Grünen mit fünf vertreten. Zudem sitzen drei fraktionslose Mitglieder im Eisenacher Stadtrat.
Weil keine letzte Gewissheit über das Abstimmungsverhalten der einzelnen Stadtverordneten besteht, wiesen Vertreter der Landes-CDU einerseits Rücktrittsforderungen an Walk als überzogen zurück. Man dürfe nicht einfach »mit Dreck werfen«, sagte die Landesgeschäftsführerin der Union, Evelin Groß, am Dienstag. Es sei immerhin unklar, ob alle LINKEN mit der Arbeit von Wolf zufrieden seien. Andererseits hieß es aus der Landes-CDU, der Eisenacher Kreisverband der Partei müsse dieses Abstimmungsergebnis intern aufarbeiten. Es gelte für die CDU »natürlich« weiterhin die Linie, dass Mitglieder der Partei nicht mit der NPD stimmten, sagte Groß. Der Landesvorsitzende der Union, Mike Mohring, hatte noch am Montagabend getwittert: »Nazi-Anträgen wird nicht zugestimmt. Da sollten einige Eisenacher-Stadträte tief in sich gehen!«
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