Alles wird zu Entertainment
Freitags Woche
Man würde ja zu gerne wissen, was die »Bild« anstelle des spontanen Aufmachers vom Toilettenpa…rdon: Titelblatt geworfen hat (vermutlich was Rassistisches mit teuren Flüchtlingen oder Griechen), aber es war am Dienstag schon eine Schlagzeile wert, was sich tags zuvor bei »Wer wird Millionär« abgespielt hatte. Als dort »seit jeher haben die meisten a) Dober Männer, b) Cocker Spaniels, c) Schäfer Hunde, d) Riesen Schnauzer« zur Wahl stand, entschied sich die Kandidatin für letzteres, weshalb sie als erste die 50-Euro-Frage riss und zweierlei bewies: Nichts ist unterhaltsamer als belangloses Versagen. Und niemand versteht es, leichter zu moderieren, als Günther Jauch. Was wiederum zeigt: Im leicht belanglosen Privatfernsehen ist er besser aufgehoben als im öffentlich-rechtlichen Debattenprogramm. Also, Günni: weitermachen! Zumindest hier.
Nicht weitermachen wird Stefan Raab, der seinen Rückzug vom Fernsehen zum Jahresende bekanntgab. Und am Ende scheinen auch seriöse Web-News zu sein, wie eine Studie des Reuters Instituts befürchten lässt. Demnach weigert sich die Netzgemeinde, digitale Infos zu bezahlen. Vor allem in Deutschland, wo gehaltvoller Content gerade mal jedem 20. Nutzer auch was wert ist. So stirbt mit den alten Medien deren Wesen relevanter Wissensvermittlung und alles wird zu Entertainment, Leichtigkeit, Larifari oder schlimmer: Selektion nach Gusto der Werbekunden, deren Etats keine öffentlich-rechtlichen Staatsaufträge, sondern nur Eigeninteressen berücksichtigen.
Eine originelle Doku wie »Wer ist Thomas Müller?« (Dienstag, 22.45 Uhr, ARD) etwa würde im Netz dann vom FC Bayern München präsentiert, um am Beispiel des häufigsten Namens vordergründig dem Durchschnittsdeutschen auf die Spur zu kommen, hintergründig aber den Marktwert eines gewissen Nationalspielers zu erhöhen. Immerhin. Denn gar nicht erst gedreht würde in dieser trüben Zukunft mangels Ertragsaussichten »Angst vor dem Abseits«, mit dem die ARD am Sonntag (17.30 Uhr) das Tabuthema Homosexualität im Fußball seziert. Oder die artverwandte Arte-Doku »Weil ich bin, wer ich bin« (Mittwoch, 21.40 Uhr). Selbst famose Porträts schwuler Künstler versprechen schließlich keine Rendite. Das gilt ebenso für Spielfilme wie »Reality« am Montag (21.45 Uhr) auf Arte um einen italienischen Familienvater, der sich vergebens um Teilnahme bei »Big Brother« bewirbt und das Containerleben einfach nachspielt, bis es sich mehr ergreifend als lustig verselbstständigt. Chancen am Werbemarkt? Nullkommanull.
Ganz im Gegensatz zu den anstehenden Privatprodukten. Die Dokusoap »Schwiegertochter gesucht« zum Beispiel, mit der RTL ab Sonntag (19.05 Uhr) sein bildungsfernes Stammpublikum anspruchsloser Voyeure verächtlich macht. Oder »Die Band« auf Pro7, wo selbige erstmals im Ganzen gecastet wird, was musikalisch zwar gehaltvoller klingt als alles mit Superstar, aber nicht nur dank des musikalisch gehaltlosen Boygroup-Moderators Samu Haber reichlich Dieter-Bohlen-Faktor verspricht.
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