Unsere Ossis

Annäherung an ein seltsames Volk

  • Lesedauer: 2 Min.
Jüngste »Spiegel«-Titelseite setzt das Griechenbashing fort. Das Ex-Nachrichtenmagazin führt damit den Beweis, dass sich ein Klischee zum Ressentiment wandelt, wenn man einer Zeichnung die entsprechende Überschrift verpasst.

Auf dem aktuellen Titelbild des »Spiegel« ist eine Karikatur zu sehen; zwei beleibte Herren tanzen Sirtarki. Während der eine Mann im WM-Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft und mit Klaus-Schlappner-Gedächtnis-Käppi auf dem Kopf ängstlich seine zum Bersten volle Brieftasche beschützt, schwenkt der Herr neben ihm (breiter, schwarzer Schnauzer, Kippe im Mundwinkel) fröhlich ein Ouzo-Glas. Die Zeichnung ist mit »Unsere Griechen - Annäherung an ein seltsames Volk« überschrieben. Aus Gründen des Respekts vor beiden Völkern verzichten wir hier an dieser Stelle auf die Abbildung des »Spiegel«-Covers. Karikaturen leben von Klischees, ja, das Spiel mit Klischees ist geradezu das Brot der Karikaturisten. Die Formulierung vom »seltsamen Volk« aber weist in Verbindung mit »unsere Griechen« unzweifelhaft auf die Hellenen, die Botschaft wandelt sich somit vom Klischee zum Ressentiment.

Dabei gäbe es hierzulande einiges, was den Kolleginnen und Kollegen vom »Spiegel« auch seltsam vorkommen müsste. Die Wiederkehr des zwanghaften, puritanischen, humorlosen, verklemmten Deutschen etwa, der in Gestalt von Wolfgang Schäuble oder Angela Merkel das Prinzip der Ordnung über alles stellt und der soldatische Tugenden allemal für wichtiger hält als Nächstenliebe.

Das »Spiegel«-Titelbild hat in den vergangenen Tagen reichlich Kritik erhalten. Die meisten halten es für nationalistisch und chauvinistisch. Der Chefredakteur des vormaligen Nachrichtenmagazins aus Hamburg, Klaus Brinkbäumer, hat mittlerweile reagiert und sich verteidigt. Den Kritikern gab er am Montag eine Anleitung, wie die Karikatur zu interpretieren ist. »Achten Sie bitte auf die Details«, schreibt er, »die Blicke der zwei Tänzer, die Körpersprache, die Kleidung«. Welche Erkenntnisse sich daraus ergeben, teilte Brinkbäumer allerdings nicht mit.

Wir finden: Solcherlei Betrachtungsunschärfe lässt sich auf jedes andere Motiv auch anwenden. Blicken Sie, liebe Leserinnen und Leser, doch einmal auf das oben stehende Bild. Achten Sie auf die Geste der Frau im Bild, ihren Blick, die Körpersprache, die Kleidung. Und achten Sie auf die Haltung des Mannes neben ihr, seinen Blick, seine Körperhaltung. Würden Sie ein solches Bild mit »Unsere Ossis - Annäherung an ein seltsames Volk« übertiteln? jam

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.