Sicherheitsbehörden speichern weiter viele Unschuldige
»Staatsschutz« vor Datenschutz: Bereinigung der Dateien von Sicherheitsbehörden läuft nur schleppend / Verfassungsschutz entzieht sich Überprüfung / Jelpke: »Geheimniskrämerei durch Behörden ist das Problem«
Während alle Augen auf die Landesverrats-Affäre um die Ermittlungen gegen kritische Journalisten gerichtet sind, deutet sich im Hintergrund bereits der nächste sicherheitspolitische Skandal an: Eine vor drei Jahren ergangene Aufforderung des Bundesdatenschutzbeauftragten zur Löschung vieler Staatsschutzdateien, in denen oft zu Unrecht Verdächtigte gespeichert werden, wird offenbar nur unzureichend umgesetzt.
Wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion erklärt, seien zwar aus der Datei »Internationaler Terrorismus« 6.815 von 8.170 Einträgen zu so genannten Person-Ereignis-Beziehungen gelöscht worden, weil sie rechtswidrig waren. Wie allerdings die Innenexpertin der Linken, Ulla Jelpke, kritisiert, habe sich der Verfassungsschutz einer Überprüfung und Bereinigung seiner Dateien bislang entzogen. Auch habe das BKA erst zwei Jahre nach der Aufforderung mit der Bereinigung begonnen. Insgesamt seien bislang nur drei von 18 Staatsschutz-Dateien bereinigt worden. Die Datei »Innere Sicherheit« sei sogar von 89.000 auf 100.000 Einträge angewachsen.
»Nicht Geheimnisverrat durch Journalisten, sondern Geheimniskrämerei durch Behörden ist das Problem«, erklärte Jelpke. »Die Zahl gespeicherter Personen bei den Bundessicherheitsbehörden hat sich auch nach kritischen Hinweisen der Bundesdatenschutzbeauftragten nicht verringert. Damit bleiben die Zweifel daran, dass die Dateien von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz den wesentlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechen, bestehen«, so die Linkenpolitikerin.
»Die Bundesdatenschutzbeauftragte hat bereits vor drei Jahren und erneut vor wenigen Wochen darauf hingewiesen, dass in Dateien von BKA und BfV eine hohe Anzahl von Personen zu Unrecht gespeichert war. Betroffen waren dabei vor allem Dateien mit angeblichen Linksextremisten, die gar keine waren«, so Jelpke. »Beim Inlandsgeheimdienst wird der Datenschutz offenbar auch in Zukunft besonders klein geschrieben. Ebenso wie Transparenz, denn Angaben zur Zahl der Dateien, ihren Bezeichnungen und Inhalten hat die Bundesregierung als ‚geheim‘ klassifiziert, um sie einer Überprüfung zu entziehen«, so die Abgeordnete.
»Grundlage für die Vermutung, es gebe Datenschutzdefizite in den Dateien und Datenbanken, ist insbesondere ein Prüfbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten zur Datei ›Politisch motivierte Kriminalität – links-Zentralstelle‹, die unter anderem die problematische Kategorie ›Sonstige Personen‹ enthielt unter der eine Vielzahl von Personen gespeichert waren, die zufällig im Umfeld tatsächlich Verdächtiger aufgetreten sind«, heißt es bei netzpolitik.org.
Das durch die Landesverrats-Affäre noch bekannter gewordene Blog hat vor wenigen Tagen auch jene Teile der Antwort der Bundesregierung öffentlich gemacht, die als »Vertraulich – Nur für den Dienstgebrauch« eingestuft wurden.
Dabei geht es unter anderem um die Projektdatei »Gewaltbereite Linksextremisten«. Diese Datei ist nach Angaben der Regierung »grundsätzlich geeignet, das gesamte linksextremistische Gewaltpotenzial sichtbar zu machen und besser aufzuklären. Dabei waren nicht nur die Personen von Interesse, die in einer der Behörden bearbeitet wurden, sondern auch die Menge, die dem jeweils anderen Bereich nicht bekannt war.«
»Wie man in dieser Kartei landen kann?«, fragt netzpolitik.org - und gibt die Antwort: »Die Regelungen scheinen teils beliebig – besonders deutlich wurde das am konkreten Beispiel bei einer Anti-Atomkraft-Demonstration, bei der viele der Teilnehmer – die lediglich von ihrem Versammlungs- und Demonstrationsrecht Gebrauch machten – in der Projektdatei «gewaltbereite extremistische Personen» landeten, auf die sowohl BfV als auch BKA Zugriff haben.«
»Die Regierung stellt sich, wie so oft – hinter die Ermittlungs- und Geheimdienstbehörden und beweist damit ihre gleichgültige Haltung gegenüber der Wahrung der Rechte zu Unrecht Betroffener und ihre Unwilligkeit zu effektiver Geheimdienstkontrolle«, heißt es bei netzpolitik.org. mit Agenturen
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