Schmuggel bringt Venezuela in Bedrängnis

Regierung Maduro geht im Grenzgebiet zu Kolumbien gegen illegalen Handel vor und riskiert Ärger mit Bogotá

  • David Graaff, Bogotá
  • Lesedauer: 4 Min.
Venezuela schiebt im Zuge der Schmuggelbekämpfung illegal im Land lebende Kolumbianer ab und zerstört Wohnhäuser. Ein Treffen der beiden Außenministerinnen brachte keine echte Entspannung.

Es knirscht im Verhältnis zwischen Venezuela und Kolumbien. Zwar trafen sich die Außenministerinnen beider Länder, María Ángela Holguín aus Kolumbien und Delcy Rodríguez aus Venezuela, doch richtig näher kamen sie sich nicht. Auf die Wiedereröffnung eines Grenzabschnitts zwischen den Provinzen Táchira und Norte de Santander, dessen Schließung Venezuelas Präsident Nicolás Maduro am vergangenen Freitag angeordnet hatte, konnten sie sich nicht einigen. Stattdessen wurde verkündet, dass weitere Gespräche vereinbart wurden mit dem Ziel, einen gemeinsamen Sicherheitsplan für die Region zu entwickeln.

Venezuelas einseitige Grenzschließung hat einen gewichtigen Grund: der florierende Schmuggelhandel zwischen beiden Ländern, den Venezuelas Behörden unterbinden wollen. Rund 40 Prozent der für den venezolanischen Markt bestimmten, staatlich subventionierten Grundversorgungsmittel - von Benzin über Zement bis hin zu Zahnpasta - gehen nach Angaben der Regierung illegal über die Grenze, wo sie auch dank der galoppierenden Inflation lukrativ für ein Vielfaches verkauft werden können.

Ein Angriff von mutmaßlichen kolumbianischen Paramilitärs auf eine Gruppe venezolanischer Soldaten war vergangene Woche der Auslöser für die drastischen Mittel der Regierung Maduro gewesen, die in sechs Verwaltungsbezirken in der westlichen Provinz Táchira den Ausnahmezustand verhängt hatte und rund 1500 Soldaten in die Region entsandte. Im Rahmen einer Sonderoperation wurden bislang rund 250 Personen festgenommen. Dabei hatten die venezolanischen Sicherheitskräfte laut Berichten kolumbianischer Medien ganze Stadtteile systematisch nach Kolumbianern durchkämmt, die illegal in Venezuela lebten. Bagger zerstörten im Auftrag der Sicherheitskräfte Häuser und Brücken nahe des Grenzflusses. Seitdem sind nach Angaben der kolumbianischen Behörden mehr als 1000 Kolumbianer zurück in ihr Heimatland geflüchtet. Kolumbianische Fernsehsender zeigten Familien, die versuchten, ihr Hab und Gut über den Grenzfluss Táchira oder offizielle und inoffizielle Grenzübergänge zu retten. Der Bürgermeister der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta sprach von einer »humanitären Krise«, die seine Stadt angesichts der Flüchtlinge zu bewältigen habe, und kündigte an, die Regierung Maduro dafür vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission anzuzeigen.

Die venezolanische Außenministerin Rodríguez widersprach den Berichten kolumbianischer Medien, denen zufolge die Menschenrechte der Betroffenen nicht respektiert worden seien. Die Kolumbianerin Holguín ihrerseits wiederholte die Forderung nach einer Wiederöffnung der Grenze, bekräftigte aber den Willen ihrer Regierung, die Probleme in Zusammenarbeit mit den Behörden des Nachbarlandes lösen zu wollen. Damit liegt sie auf dem Kurs ihres Präsidenten Juan Manuel Santos. Im Gegensatz zum zwar in der Sache gesprächsbereiten, aber stets wortgewaltig auftretenden Amtskollegen Maduro hat sich Santos bisher eher bedacht geäußert. Diese diplomatische Linie hatte in den vergangenen Jahren zu einer Entspannung in den Beziehungen der beiden Nachbarländer geführt. Venezuela ist sogar Beobachter der Friedensgespräche in Havanna zwischen Bogotá und der FARC-Guerilla.

Erst am Mittwoch bemühte sich Santos persönlich in die Grenzregion. Dort versprach er den Deportierten Unterstützung bei der Suche eines Arbeitsplatzes und bei der Schulbildung der betroffenen Kinder. »Diese Menschen sind keine Paramilitärs, sondern arme Familien«, sagte der Staatschef in Anspielung auf Erkenntnisse venezolanischer Behörden, laut denen es hauptsächlich kolumbianische Paramilitärs sind, die der venezolanischen Wirtschaft mit dem Schmuggelhandel schaden wollten.

Weit hergeholt ist das nicht: Laut der auf organisierte Kriminalität spezialisierten Nichtregierungsorganisation »Insight Crime« sind die offiziell als »kriminelle Banden« bezeichneten »Paras« seit Längerem in der Grenzregion und in Venezuela selbst aktiv, kontrollieren die Schmuggelrouten und erheben Schutzgelder und illegale Steuern. Die Experten bezweifeln allerdings, dass diese Gruppen einen politischen Plan gegen Maduro verfolgen, profitierten sie doch finanziell erheblich von dem Schmuggel. Allerdings muss Maduro auch im eigenen Laden kehren: Das Milliardengeschäft läuft auch deshalb so gut, weil korrupte venezolanische Funktionäre und Sicherheitskräfte kräftig mitverdienen. Am Donnerstag begann die Regierung in den betroffenen Grenzbezirken mit einem Zensus, der unter anderem die Bevölkerung und örtlichen Unternehmen erfassen soll. Dies sei »die Basis für eine neue Grenze«, sagte Maduro am Mittwoch.

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