Rana Plaza war der Stein des Anstoßes

Nach der Katastrophe in der Textilfabrik mit über 1100 Toten vor zwei Jahren in Bangladesch gibt es Initiativen, Mindeststandards zu etablieren

Die zivilgesellschaftliche Kampagne für Saubere Kleidung müht sich schon seit 1990 um bessere Sozialstandards im Textilsektor im globalen Süden. Das deutsche Entwicklungsministerium seit 2014.

Die Todesfälle durch menschengemachte Katastrophen im Textilsektor sind Legion, doch Rana Plaza war ein Fanal: Bei dem Einsturz des Fabrikgebäudes in Bangladesch kamen im April 2013 über 1100 Menschen ums Leben. Seitdem ist die Textilindustrie fortwährend in der Diskussion.

Die Arbeiter und Arbeiterinnen von Rana Plaza nähten T-Shirts, Hosen und Jacken für 31 international tätige Bekleidungsunternehmen. Die Näherinnen wurden von den Fabrikbetreibern unter Androhung ihrer Entlassung gezwungen, zur Arbeit zu erscheinen, obwohl das Gebäude wegen schwerer Baumängel am Tag vor dem Einsturz bereits behördlich gesperrt worden war.

Eindeutig ist: Ohne massiven öffentlichen Druck in den Produktions- und den Abnahmeländern passiert so gut wie nichts. Das zeigt auch der Fall Rana Plaza: Zwei Jahre hat es gedauert, bis der von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ins Leben gerufene Rana-Plaza-Entschädigungsfonds auf die erforderlichen 30 Millionen Dollar aufgestockt wurde. Es war eine anonyme Einzahlung, die im Juni dieses Jahres die Finanzierungslücke von 2,4 Millionen Dollar schloss. Die vollständige Entschädigung der Hinterbliebenen und Verletzten ist damit sichergestellt. »Auf diesen Tag haben wir lange gewartet und hingearbeitet. Wenn nun alle Familien, die von diesem Unglück betroffen sind, das Geld erhalten, das ihnen zusteht, können sie sich endlich darauf konzentrieren, ihr Leben wieder aufzubauen. Dies ist ein großer Moment für die Gerechtigkeit«, reagierte Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung.

Die 1990 in den Niederlanden gegründete Kampagne für Saubere Kleidung forderte nach dem Unglück beharrlich von internationalen Modemarken, für die Entschädigung der Opfer Sorge zu tragen. Über eine Million Konsumenten in ganz Europa haben dieses Anliegen unterstützt. In Deutschland organisierte die Initiative zahlreiche Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer.

Auch für Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) war Rana Plaza Anlass zum Handeln: »Wir wollen keine Kleidung auf unserer Haut tragen, für die andernorts Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen ausgebeutet oder vergiftet werden«, sagte Müller vergangenen Oktober bei der Vorstellung des »Bündnisses für nachhaltige Textilien«, dem sich nach schleppendem Beginn inzwischen 171 Firmen und Verbände angeschlossen haben. Vereinbart wurde ein Aktionsplan, der die Einhaltung bestimmter Mindeststandards in verschiedenen Fristen vorsieht. Dabei wird unter anderem auf Normen der ILO zurückgegriffen. Sie verbieten Kinder- und Zwangsarbeit und schreiben eine Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden vor sowie einen freien Tag pro Woche. Die Beschäftigten dürfen zudem nicht daran gehindert werden, Gewerkschaften zu gründen.

Viele Firmen traten anfangs mit Hinweis auf Wettbewerbsverzerrung und Haftungsrisiken nicht bei. Später änderte das Bündnis seinen »Aktionsplan«. In der neuen Fassung müssen die Unternehmen konkrete Verbesserungen nicht mehr zu einem festen Zeitpunkt erreichen.

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Hänsel, äußerte sich gegenüber »nd« skeptisch über das Textilbündnis: »Das Bündnis ist gut gemeint, aber man braucht ein Gesetz, das deutschen Unternehmen untersagt, im Ausland zu menschenunwürdigen Bedingungen produzieren zu lassen.« Auch zwei Jahre nach Rana Plaza hat der Wandel im Textilsektor bestenfalls begonnen.

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