Ein Gerichtshof für Investoren

Freihandelskritiker halten nicht viel vom neuen TTIP-Vorschlag der EU-Kommission

Brüssel versucht, die massive Kritik am EU-USA-Handelsabkommen TTIP mit einem neuen Vorstoß abzufedern. Ob das gelingt?

ISDS - diese vier Buchstaben, das Kürzel für die umstrittenen Investor-Staat-Schiedsverfahren, haben sich zum Knackpunkt für das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den EU und den USA entwickelt. Fast 2,8 Millionen Bürger haben mittlerweile den Aufruf »Stop TTIP« unterzeichnet, in dem das Abkommen als »Gefahr für Demokratie, den Rechtsstaat, Umwelt-, Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz« gebrandmarkt wird. Eine für den 10. Oktober geplante bundesweite Demonstration wird absehbar sehr groß werden.

Die EU-Kommission hat auf die Kritik längst reagiert, veröffentlicht einige Verhandlungsdokumente und beteuert, in den Gesprächen für den Erhalt der europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzstandards zu sorgen. Wegen des starken Widerstands wurden die Verhandlungen über ISDS im Rahmen von TTIP ausgesetzt. Mittlerweile tritt auch die zuständige Handelskommissarin Cecilia Malmström als ISDS-Kritikerin auf und meint, es fehle an »Fairness und Gerechtigkeit« im bisherigen System, in dem private Schlichter über Klagen von Investoren über staatliche Regeln im Ausland entscheiden und damit nationales Recht aushebeln können. Nach dem Willen Malmströms soll ISDS durch ICS, ein gänzlich neues Investitionsgerichtssystem, ersetzt werden. Die EU-Kommission beschloss am Mittwoch die Pläne, die nun mit Ministerrat und Europaparlament abgestimmt werden müssen. Man habe versucht, alle Bedenken der Bürger zu berücksichtigen, beteuerte Malmström.

Allerdings entstehen daraus, da die TTIP-Gespräche gleichzeitig weiterlaufen, mehrere technische Probleme: Üblicherweise ziehen sich solche trilaterale Abstimmungen über viele Monate hin - dann könnte es zu spät sein, um an dem Abkommen mit den USA noch viel zu ändern. Das Argument versuchte Malmström mit der Bemerkung wegzuwischen, die US-Vertreter könnten lesen und würden die jetzt veröffentlichten Papiere Brüssels sicher bereits studieren.

Dennoch: Selbst wenn sich Washington auf die Einrichtung eines bilateralen Investitionsgerichtshofes einließe, bräuchte es viel Zeit: Hier müsste zunächst eine Rechtsgrundlage geschaffen und dann auch professionelle Richter eingestellt werden, die laut den EU-Wünschen an die Stelle der bisherigen Schlichter treten sollen. Im Unterschied zum TTIP-Zeitplan ginge es hier wohl um Jahre.

Und Malmström machte an anderer Stelle deutlich, dass an bereits geschaffenen Fakten nichts mehr geändert werde: CETA, das kürzlich beschlossene Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, in dem sich beide Seiten den dubiosen Schiedsverfahren unterwerfen, werde nicht geändert. »Es ist unterzeichnet, abgeschlossen«, so die EU-Kommissarin. Mehr als kleinere Details im Investitionskapital würden nicht neu verhandelt werden.

Die Freihandelskritiker fragen sich, wie glaubwürdig der neue EU-Vorschlag also ist: »Es ist unverschämt, dass Frau Malmström die Regelungen zu ISDS im CETA-Abkommen unverändert lassen will«, erklärte Maritta Strasser von der Kampagnenorganisation Campact, Nach Berechnungen der US-Verbraucherschutzorganisation Public Citizen könnten 41 000 Investoren die EU-Mitgliedsstaaten über CETA vor die alten privaten Schiedsstellen zerren - »das muss unbedingt verhindert werden«.

Für die Umweltorganisation PowerShift ist der Vorstoß eine »weitere Nebelkerze«, denn am Grundproblem der Einschränkung staatlicher Handlungsmöglichkeiten und demokratischer Entscheidungsverfahren werde nichts geändert. »Wir lehnen das privilegierte Klagerecht für ausländische Investoren an«, sagte PowerShift-Handelsexpertin Alessa Hartmann gegenüber »nd«. Auch an dem neuen Gerichtshof könnten alle anderen Teile der Gesellschaft nicht klagen.

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