Mit Lenin nach Schmargendorf

Klinikkonzern Vivantes bildet Pflegekräfte aus Vietnam aus und will, dass sie bleiben

Am Freitag beginnen 42 Azubis aus Vietnam ihre Lehre zur Altenpflegekraft. 15 haben dieses Jahr ihren Abschluss gemacht. Mit unbefristeten Arbeitsverträgen kämpft Vivantes gegen Nachwuchssorgen.

Eigentlich ist Lenin schuld daran, dass Thi Nhung Nguyen am Donnerstagmorgen in dem kleinen Veranstaltungssaal eines Altenheimes in Schmargendorf sitzt. Vor sich einen Blumenstrauß, eine Tasse Kaffee und eine leere Zeugnismappe. Sie und 56 andere Vietnamesen hören Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), René Herrmann, Geschäftsführer der Vivantes Hauptstadtpflege, und einem Abgesandten aus dem Bundeswirtschaftsministerium zu. Sie sind hier und halten Reden, in denen sie Thi Nhung und 14 ihrer KollegInnen gratulieren, bevor sie ihnen ihre Zeugnisse übergeben. Sie sind jetzt ausgebildete Altenpflegefachkräfte. Herrmann sagt das Wort »Altenpflegefachkraft« und guckt so wie ein Vater beim Abiball seiner jüngsten Tochter. Unten, vor den 15 Absolventen auf der Bühne, rutschen 42 neue Auszubildende aus Vietnam nervös auf ihren Stühlen hin und her. Sie sind erst am Mittwoch mit dem Flugzeug in Tegel gelandet oder mit dem Bus von Frankfurt am Main nach Berlin gekommen und beginnen am Freitag ihre zweijährige Ausbildung.

2013 hatte das Bundeswirtschaftsministerium ein Kooperationsprojekt mit der vietnamesischen Arbeitsagentur initiiert. Der Bedarf an Fachkräften in der Altenpflege wächst und ist laut Prognosen nicht mit Personal aus dem eigenen Land oder der EU zu decken. Die Zahl der über 80-Jährigen wird sich in Berlin bis zum Jahr 2030 verdoppeln, von momentan 140 000 auf etwa 270 000 Menschen.

»Ich arbeite unglaublich gerne mit alten Menschen zusammen«, sagt die 24-jährige Thi Nhung, die in Quang Binh, 500 Kilometer südlich von Hanoi, aufgewachsen ist und dort eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht hat. Warum sie von Zuhause weggegangen ist? »Lernen, lernen und nochmals lernen«, sagt Thui Nhung. Lenin hat sie nach Schmargendorf gebracht. »Und ein bisschen auch mein Vater, der im Gegensatz zu meiner Mutter unbedingt wollte, dass ich nach Deutschland gehe.« Bevor sie ankam, hat sie einen sechsmonatigen Sprachkurs in Hanoi gemacht und musste dann gleich vom ersten Tag an auf Deutsch rechtliche Grundlagen im Pflegeberuf und medizinische Diagnostik pauken. Nebenbei hatte sie weiter Sprachunterricht. »Am Ende hat Thi Nhung zusammen mit drei anderen den besten Abschluss gemacht«, sagt Sabine Senkbeil, Ausbildungsleiterin bei Vivantes. Nur vier der ursprünglich 19 Auszubildenden haben es nicht geschafft.

Thi Nhung denkt schon weiter - und an Lenin. Für sie ist die Lehre nur der erste Schritt gewesen, obwohl sie bei Vivantes einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen hat. Sie will studieren, am liebsten in Berlin. Dafür muss sie allerdings drei Jahre Berufserfahrung sammeln.

Das Heimweh hat sie überwunden, Chatprogramme helfen. Von Berlin hat sie in den zwei Jahren noch nicht viel gesehen. »Ich bin jeden Tag erschöpft und bleibe zu Hause.« Während Thi Nhung das sagt, sitzen in Hanoi 125 Vietnamesen im Sprachkurs A1 für Anfänger im Goethe Institut. Einige von ihnen werden im September 2016 aufgeregt in Schmargendorf auf ihren Stühlen rumrutschen.

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