Volksbegehren als Windradbremse
Mecklenburg-Vorpommern: Bürger wollen mehr Abstand, Regierung winkt mit Gewinnanteil
Ob Geld als Schmiermittel für Windräder taugt, möchte das rot-schwarze Kabinett in Schwerin ausprobieren. Es hat einen Gesetzentwurf gebilligt, der Bürgern und Kommunen im Nahbereich der Stromquirle ein Plus auf den Konten bescheren soll. Energieminister Christian Pegel (SPD) will Windkraft-Investoren verpflichten, Anliegergemeinden und Privatleuten Gewinn-Beteiligungen von 20 Prozent anzubieten. Das könnte die Akzeptanz gegenüber Windanlagen erhöhen, hofft die Regierung. Womöglich hofft sie auch, dass das zu erwartende Geld viele Bürger davon abhält, ein Volksbegehren in puncto Windrad-Abstand zu fordern.
Dieses vom Aktionsbündnis »Freier Horizont« angeregte Begehren, das eine Mindestdistanz von 2000 Metern zwischen Windpark und Wohnhäusern zum Ziel hat, könnte die Energieplanung der Regierung durchaus kippen. Folgern lässt das eine Antwort, die der grüne Landtagsabgeordnete Johann-Georg Jaeger unlängst aus Christian Pegels Ministerium erhalten hat. Darin heißt es: Insgesamt 13 000 Hektar Fläche in Westmecklenburg, der Region Rostock, der Mecklenburgischen Seenplatte und Vorpommern seien für neue Windkraftanlagen geeignet. Käme die 2000-Meter-Abstandsregelung zustande, stünden nur noch 700 Hektar zur Verfügung. Damit wären die energiepolitischen Ziele der Regierung nicht realisierbar.
Akut bedroht sind jene Ziele durch ein Volksbegehren und eine folgende Volksabstimmung noch nicht. Denn in Gang kommt solch ein Verfahren nur, sofern es mindestens 120 000 Wahlberechtigte per Unterschrift fordern. Bislang haben das 30 000 Bürgerinnen und Bürger getan, berichtet Norbert Schumacher, Vorsitzender der Initiative »Freier Horizont«, im Gespräch mit »nd«. Zur Urlaubszeit sei es nicht einfach gewesen, Menschen zum Unterschreiben zu erreichen, sagt der Aktivist. Er hofft, dass sich dies nun ändert. Und: Im Gegensatz zum Volksbegehren gegen die Gerichtsreform müsse in Sachen Windanlagen mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. »Die Leute haben viele Fragen.« Nicht zutreffend, so Schumacher, sei der Einwand der Regierung, bei einem Abstand von 2000 Metern gebe es nicht mehr genügend Fläche für Windräder. Diese lehne die Initiative nicht generell ab, wohl aber zu viele, zu hohe, zu nahe Anlagen.
In punkto Nähe schreibt das Energieministerium den Grünen: Erfahrungsgemäß sei wegen der »anzunehmenden optisch bedrängenden Wirkung« der Anlagen ein Mindestabstand von 500 bis 800 zu Wohnhäusern erforderlich. In Mecklenburg-Vorpommern sei die Distanz bereits auf 1000 Meter erweitert worden. Da dies einen ausreichenden Immissionsschutz gewährleiste, werde es kaum gelingen, den 2000-Meter-Mindestabstand »rechtssicher zu begründen«. Beim Nein zur 2000-Meter-Regelung genießt die SPD/CDU-Regierungskoalition den Beistand der Opposition. Mit der Ankündigung des Volksbegehrens erweise das Aktionsbündnis dem Klimaschutz einen Bärendienst, unterstreicht Grünen-Energieexperte Jaeger. »Ohne Windräder gelingt die Energiewende nicht«, bekräftigt der Politiker.
Die LINKE sieht eine Erweiterung des Mindestabstands gleichfalls skeptisch. Auch wenn etwa 1400 Meter vorgeschrieben würden, werde das die Akzeptanz bei Windkraftgegnern nicht erhöhen, gab Mignon Schwenke, energiepolitische Sprecherin der Fraktion, jüngst im Landtag zu bedenken. Und: Mit Blick auf Energie habe in Mecklenburg-Vorpommern kein anderer regenerativer Ausgangsstoff das Potenzial wie Wind. Mit Veränderungen im Landschaftsbild werde man leben müssen.
Schon im Juli hatte »Freier Horizont« mit 22 000 Unterschriften eine Volksinitiative durchgesetzt. Sie fordert, der Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern müsse mindestens zehnmal so groß sein wie die Höhe der Anlagen. Auch dies ergäbe zumeist 2000 Meter. Und auch dieser Wunsch, der zurzeit in Fachausschüssen behandelt wird, hat bei den demokratischen Fraktionen bislang keine Gegenliebe gefunden.
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