Medien sind eine Waffe
Mediengesetze in Russland: Kreml will Einfluss ausländischer Geldgeber beschränken
Alexander Juschtschenko, der mit KP-Mandat in der russischen Duma sitzt, war dieser Tage die personifizierte Empörung: Mit dem berühmt-berüchtigten »Agentengesetz«, das nichtstaatliche Organisationen, die mit westlichen Fördergeldern arbeiten, seit 2013 dazu verdonnert, sich auf einen eigens dazu angelegten Index des Justizministeriums setzen zu lassen, habe sein Entwurf nichts zu tun. Es gehe lediglich darum, »Transparenz zu erzeugen, wer die Musik bestellt«.
Gemeint ist eine Vorlage, die russische Medien dazu verpflichten soll, den Erhalt ausländischer Fördermittel - im Fachjargon: Grants - sowie mit Geld dotierte Preise ausländischer Stifter binnen 30 Tagen der Medien-Aufsichtsbehörde Roskomnadsor anzuzeigen. Sündern drohen hohe Bußgelder, im Wiederholungsfall sogar Entzug der Druck- oder Sendelizenz. Gegen Russland laufe derzeit ein Informationskrieg, so Juschtschenko, Medien seien daher nicht nur eine Ware, sondern eine Waffe.
Noch handelt es sich nur um einen Entwurf, der seit vergangenen Dienstag im Medienausschuss der Duma liegt. Dass er alsbald Gesetzeskraft erlangt, gilt als sicher. Denn Juschtschenko und seine Ko-Autoren begründen ihren Vorstoß mit dem verschärften Druck, den russische Medien im Ausland ausgesetzt sind. Dass dem englischsprachigen TV-Kanal Russia today in Großbritannien die Schließung droht, sei nur die Spitze des Eisbergs, heißt es. Auch würde der Westen verstärkt versuchen, die Medienlandschaft in Russland selbst zu beeinflussen. Damit solle ein »voreingenommenes und verzerrtes Bild der politischen Realität« erzeugt werden, glaubt Juschtschenko.
Der Entwurf, so auch Ko-Autor Wadim Dengin von den ultranationalen Liberaldemokraten, sei die »logische Fortsetzung« von 2014 verabschiedeten Änderungen des Mediengesetzes, mit denen der Anteil ausländischer Beteiligungen an russischen Zeitungen, Zeitschriften und Sendern auf maximal 20 Prozent reduziert wird. Auch dazu hatte das Duo Juschtschenko/Dengin die Steilvorlage geliefert und sich dabei davon inspirieren lassen, dass sogenannte stille Beteiligungen in Russland so gut wie unbekannt sind. Den Kammerton für die Berichterstattung in Russland gibt nicht der Kapell-, sondern der Zahlmeister vor: der Verleger.
Die 20-Prozent-Klausel tritt am 1. Januar 2016 in Kraft. Mit Bangen warten vor allem Leser der Wirtschaftszeitung »Wedomosti« auf die Ausgabe am Tag danach. Das Blatt, an dem derzeit die britische »Financial Times« und das »Wall Street Journal« (USA) Anteile von jeweils 30 Prozent halten, druckt regelmäßig unfreundliche Gastbeiträge liberaler Oppositioneller. Die ähnlich kritisch aufgestellte englischsprachige »The Moscow Times« verkaufte der Eigentümer - der finnische Konzern Samona - daher schon im Frühjahr. Der Springer-Verlag, der in den wilden Neunzigern groß in Russland eingestiegen war und die russische Ausgabe von »Forbes« - Flaggschiff des investigativen Wirtschaftsjournalismus - herausgab, stieß seine Aktiva im September ab.
Neuer Mehrheitseigentümer ist der bei der russischen Regierung wohlgelittene Alexander Fedotow. Für kritische Beobachter ein Signal, dass der Kreml nach den schon seit langem gleichgeschalteten elektronischen nun auch die Printmedien auf Linie trimmen will. Deren gelegentliches Stänkern tolerierte die Macht bisher als Ventil zum Dampfablassen, ihr Bedrohungspotenzial für das System, so die gängige Lehrmeinung, sei unerheblich.
In der Tat: Gedruckte seriöse Zeitungen werden fast nur in Moskau und St .Petersburg gelesen, selbst dort gehen die Auflagen kontinuierlich zurück. Zur kollektiven Meinungsbildung taugen sie daher normalerweise nicht. In Krisenzeiten indes wird selbst eine Medienlandschaft, die ähnlich fragmentiert ist wie die Gesellschaft, zur potenziellen Bedrohung.
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