Internationale Schule für Holocaust-Studien
Bildungsrauschen
In der derzeit geführten Integrationsdebatte überwiegt der Ruf nach Anpassung an hiesige Gepflogenheiten. Angesichts der deutschen Geschichte ist diese Forderung problematisch. Man kann dieses Problem umgehen, indem der Holocaust als universeller Ausdruck eines absoluten Vernichtungswillens des Menschen durch den Menschen begriffen wird. Denn Verbrechen gegen die Menschheit bedürfen einer steten gemeinsamen Anstrengung.
Der Holocaust eignet sich auch deshalb dafür, weil hierzu international sehr viel geforscht wurde und noch immer wird. Diese Erkenntnisse können ihren Platz im Bildungskanon erhalten und haben ihn zum Teil bereits. Ein Ort, an dem Wissen zusammenläuft und Verbreitung erfährt ist die 1993 gegründete Internationale Schule für Holocaust-Studien (ISHS) mit Sitz auf dem Gelände der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Als eine der »vier Säulen der Erinnerung« der Gedenkstätte (yadvashem.org) organisiert die ISHS internationale Fortbildungen und einen Erfahrungsaustausch für Pädagogen. Darüber hinaus entwickelt sie - angepasst an Sprache und Bedarfe der Länder - Unterrichtsmaterialien für Grund- und weiterführende Schulen.
Neben Zeitzeugen, Artikeln, Interviews, Filmen und Fotografien bieten diese Materialien komplette Unterrichtseinheiten an. So zum Beispiel rund um die Kindheitserinnerung. In einem vier Stunden dauernden Projekt können Dritt- und Viertklässler in die elementaren Konzepte und Grundbegriffe zur Vernichtung des europäischen Judentums eingeführt werden, auf die dann ein Geschichtsunterricht zum Thema Holocaust aufgebaut werden kann. Ein anderes Beispiel ist das Literaturprojekt, in dem die Schüler neben dem Leben im Nationalsozialismus die jüdische Religion und Kultur kennen lernen. Sie üben sich im Vergleichen und werden in »zentrale Kinderrechte« eingeführt. Ein anderer Vorschlag ist der eines Workshops für Jahrgangsstufe 9. In diesem können die Schülerinnen und Schüler zu den Themen »Hilfe« und »Rettung« arbeiten. Als Vorlage dient die Geschichte des in der Spionageabwehr tätigen Friedrich Carl von Oppenheim, der seine Stellung nutzte, um jüdischen Familien zu helfen. Oppenheims Beispiel zeigt, » dass trotz Diktatur und Gleichschaltung für die Zugehörigen der sogenannten Volksgemeinschaft gewisse Handlungsoptionen bestanden, und dass es Personen aus verschiedensten sozialen und ökonomischen Milieus gab, die diese Optionen zugunsten verfolgter Juden wahrnahmen«.
Unter dem Titel »Der Bildhauer Deutschlands - Propaganda und die Bildenden Künste im Dritten Reich« können Schüler zudem selbstständig die Indienstnahme der Kunstwerke für Propagandazwecke untersuchen. Nicht zuletzt wird unter dem Titel »Fünf Gedichte, Fünf Bilder« ein künstlerischer Zugang zum Thema angeboten. Lena Tietgen
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